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Arbeitsrecht: EuGH: Wöchentliche Ruhezeit für Arbeitnehmer innerhalb jedes Siebentageszeitraums

Der EuGH hat entschieden, dass die wöchentliche Ruhezeit für Arbeitnehmer nicht zwingend an dem auf sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgenden Tag gewährt werden muss und daher ein Arbeitnehmer unter Umständen bis zu zwölf Tage am Stück arbeiten kann, wenn er den ersten Ruhetag zu Beginn der ersten Arbeitswoche nehmen muss und den nächsten am Ende der zweiten Arbeitswoche.

Im Ausgangsfall hatte der Beschäftigte Herr R. in einem Casino in Portugal gearbeitet. Das Casino ist mit Ausnahme des 24. Dezembers täglich vom Nachmittag bis zum folgenden Morgen geöffnet. Während der Jahre 2008 und 2009 arbeitete Herr R. manchmal an sieben aufeinanderfolgenden Tagen. Ab 2010 änderte Varzim Sol die Organisation der Arbeitszeiten, so dass die Beschäftigten an nicht mehr als sechs aufeinanderfolgenden Tagen arbeiteten. Nach der Beendigung seines Arbeitsvertrags im März 2014 erhob Herr R. Klage gegen Varzim Sol, um im Wesentlichen feststellen zu lassen, dass die Gesellschaft ihm die Pflichtruhetage, auf die er nach seiner Auffassung Anspruch hatte, nicht gewährt habe. Er forderte insoweit Entschädigungszahlungen entsprechend der Vergütung der gearbeiteten Überstunden. Nach der Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG, ABl. 2003, L 299, 9; diese Richtlinie kodifiziert mit Wirkung ab dem 02.08.2004 die Bestimmungen der RL 93/104/EG, ABl. 1993, L 307, 18 in der durch die RL 2000/34/EG, ABl. 2000, L 195, 41 geänderten Fassung) hat jeder Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum Anspruch auf eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden.
Das Tribunal da Relação do Porto (Berufungsgericht Porto) hat Zweifel in Bezug auf die Auslegung der Richtlinie und möchte vom EuGH wissen, ob die kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, spätestens an dem Tag gewährt werden muss, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt.

Der EuGH hat entschieden, dass die wöchentliche Ruhezeit für Arbeitnehmer nicht notwendigerweise an dem auf sechs aufeinanderfolgende Arbeitstage folgenden Tag gewährt werden muss, sondern an einem beliebigen Tag innerhalb jedes Siebentageszeitraums gewährt werden kann.

Nach Auffassung des EuGH enthält die Wendung „pro Siebentageszeitraum“ keinerlei Verweisung auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten und ist somit ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der einheitlich ausgelegt werden muss. Nach Durchführung einer Analyse von Wortlaut, Zusammenhang und Zielen der Richtlinie hat der EuGH zum Wortlaut ausgeführt, dass sich aus dem Text der Richtlinie selbst ergebe, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, zu gewährleisten, dass jedem Arbeitnehmer während eines Siebentageszeitraums eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden (zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden) zur Verfügung stehe, dass aber darin nicht festgelegt werde, zu welchem Zeitpunkt diese Mindestruhezeit zu gewähren sei.

Was den Zusammenhang betreffe, in dem die Wendung „pro Siebentageszeitraum“ verwendet werde, sei festzustellen, dass dieser Zeitraum als Bezugszeitraum angesehen werden könne, d.h. als ein fester Zeitraum, innerhalb dessen eine bestimmte Anzahl aufeinanderfolgender Ruhestunden zu gewähren sei, unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem diese Ruhestunden gewährt werden.

Im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie schließlich sei zu sagen, dass diese den Zweck verfolge, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer wirksam zu schützen. Jedem Arbeitnehmer müssten also angemessene Ruhezeiten zur Verfügung stehen. Allerdings lasse die Richtlinie für ihre Umsetzung eine gewisse Flexibilität zu und räume somit den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Festsetzung des Zeitpunkts, zu dem diese Mindestruhezeit zu gewähren sei, ein Ermessen ein. Diese Auslegung könne auch dem Arbeitnehmer zugutekommen, da sie es erlaube, ihm am Ende eines und am Anfang des darauf folgenden Bezugszeitraums mehrere aufeinanderfolgende Ruhetage zu gewähren. Schließlich stelle die Richtlinie nur Mindestnormen für den Schutz des Arbeitnehmers im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung auf. Die Mitgliedstaaten dürften also für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anwenden oder erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern fördern oder gestatten.

Erscheinungsdatum: 09.11.2017
Entscheidungsdatum: 09.11.2017
Aktenzeichen: C-306/16

Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 115/2017 v. 09.11.2017

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