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Beamtenrecht: BverwG: Fehlende Begründung des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung

Leitsätze

1. Dienstliche Beurteilungen müssen auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen; dies gilt auch, wenn sich die zur Beurteilung berufene Person aus organisatorischen oder personellen Gründen ändert. Die nicht unerhebliche Verschlechterung im Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung bedarf daher einer Begründung.
2. Die Begründung des Gesamturteils hat schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen; anders als etwa bei nachträglich erhobenen Einwänden gegen Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung genügt es nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren.

 

A.
Problemstellung
Konkurrentenstreit und dienstliche Beurteilung: Wie kann der Dienstherr von der Möglichkeit, eine Vorwirkung der Dienstpostenbesetzung in Form eines „Bewährungsvorsprungs“ zu vermeiden, Gebrauch machen? Steht das BGleiG der Annahme der grundsätzlichen Unzulässigkeit eines dienstpostenbezogenen Anforderungsprofils entgegen? Darf der Maßstab einer dienstlichen Beurteilung auf die Anforderungen und Besonderheiten des wahrgenommenen Dienstpostens bezogen sein? Wann kann das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung deutlich schlechter ausfallen als in der vorangegangenen dienstlichen Beurteilung? Kann die in der dienstlichen Beurteilung unterbliebene Begründung des Gesamturteils später noch nachgeholt werden? Wie wahrscheinlich muss bei einer rechtswidrigen Auswahlentscheidung die Vergabe des Dienstpostens an den unterlegenen Mitbewerber sein, damit dieser im Konkurrentenstreitverfahren obsiegt?
B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Antragsteller ist Regierungsamtsrat (Besoldungsgruppe A 12) im Bundesdienst und wird beim Bundesnachrichtendienst (BND) verwendet. Er wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens mit dem Beigeladenen.
Die Antragsgegnerin schrieb den mit der Besoldungsgruppe A 13g bewerteten Dienstposten des Sachgebietsleiters X zur förderlichen Besetzung für Beamte der Besoldungsgruppe A 12 aus. In der Stellenausschreibung sind neben der zwingend vorausgesetzten Befähigung für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes im Studienbereich Rechts-, Wirtschafts- oder Verwaltungswissenschaften zusätzliche Anforderungen formuliert, die für den Vergleich anhand der dienstlichen Beurteilung maßgeblich sein sollen, sofern mehrere Bewerber über die gleiche Gesamtnote verfügen.
Auf die Ausschreibung meldeten sich insgesamt elf Bewerber, von denen fünf in der aktuellen Regelbeurteilung das Gesamturteil 8 (auf einer 9-stufigen Notenskala) erhalten hatten. Die weiteren Bewerber, die – wie der Antragsteller – in der dienstlichen Beurteilung das Gesamturteil 7 erzielt hatten, wurden nicht in die weitere Auswahlentscheidung einbezogen. Da der Beigeladene in allen fünf der in der Ausschreibung als maßgeblich für den Vergleich bei gleichem Gesamturteil benannten Anforderungsmerkmalen am besten beurteilt worden war, wurde er für die Stellenvergabe ausgewählt.
Hiergegen hat der Antragsteller aus einer Reihe von Gründen Widerspruch erhoben und nachfolgend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Das – erst- und letztinstanzlich zuständige (vgl. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO) – BVerwG hat die begehrte einstweilige Anordnung erlassen und zur Begründung im Wesentlichen auf Folgendes abgestellt:
I. Der erforderliche Anordnungsgrund ist gegeben.
Zwar ist Gegenstand des Rechtsstreits nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amtes, die nach Ernennung des ausgewählten Bewerbers nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nur noch rückgängig gemacht werden könnte, wenn der unterlegene Bewerber unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG an der Ausschöpfung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten gehindert worden wäre. Ausschreibung und Auswahlentscheidung sind vielmehr ausdrücklich nur auf die Vergabe eines Dienstpostens im Wege der Umsetzung bezogen; diese kann nachträglich aufgehoben und der Dienstposten anderweitig besetzt werden, sodass dem Antragsteller nachgelagerter Rechtsschutz zur Verfügung steht.
Die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe kann die Rechtsstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG aber dennoch beeinträchtigen, weil sie Vorwirkungen auf die nachfolgende Vergabe von Statusämtern entfalten kann. Der ausgeschriebene Dienstposten ist für den Antragsteller und für den Beigeladenen ein höherwertiger Dienstposten. Die Übertragung schafft daher die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung (§ 22 Abs. 2 BBG); diese Vorauswahl ist im Übrigen von der Antragsgegnerin auch beabsichtigt, wie sich in der bewusst als „förderlich“ beabsichtigten Besetzung des Dienstpostens durch einen Beamten mit einem Statusamt der niedrigeren Besoldungsgruppe A 12 zeigt.
Von der Möglichkeit, die Vorwirkung der vorläufigen Dienstpostenbesetzung auf die nachfolgende Ämtervergabe zu vermeiden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.05.2016 – 2 VR 2/15 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr 74 Rn 29 ff.), hat die Antragsgegnerin keinen Gebrauch gemacht. Weder allgemein durch die Beurteilungsrichtlinien oder durch entsprechende Festlegungen in der vorliegenden Stellenausschreibung noch konkret durch Zusagen gegenüber dem Antragsteller im anhängigen Verfahren ist sichergestellt, dass der etwaige Bewährungsvorsprung des Beigeladenen im Falle der Rechtswidrigkeit der Dienstpostenvergabe bei einer nachfolgenden Auswahlentscheidung zur Vergabe des Statusamts durch eine Ausblendung der spezifisch höherwertigen Aufgabenwahrnehmung unberücksichtigt bleibt.
II. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch, weil die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt.
1. Das in der Ausschreibung enthaltene Anforderungsprofil enthält weder eine unzulässige Einschränkung des Bewerberfeldes noch eine unsachliche Festlegung der bei gleichem Gesamturteil maßgeblichen Gesichtspunkte.
In den Vorwirkungsfällen sind auch die Vorgaben des Anforderungsprofils für die Dienstpostenvergabe den Maßstäben aus Art. 33 Abs. 2 GG unterworfen, weil mit der Übertragung des Dienstpostens die Zusammensetzung des Bewerberfelds für nachfolgende Beförderungsverfahren eingeengt und ggf. gesteuert wird.
Aus § 8 Abs. 2 BBG i.V.m. § 6 BGleiG folgt nichts anderes. Die Vorschriften des BGleiG, die der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern dienen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BGleiG) und hierfür auch Anforderungen an die Stellenausschreibung statuieren – wie insbesondere deren geschlechtsneutrale Abfassung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG) –, sind weder darauf gerichtet noch dazu geeignet, den materiellen Bezugspunkt der dienstrechtlichen Auswahlentscheidungen zu verschieben. Nach § 6 Abs. 3 BGleiG ist das Anforderungsprofil vielmehr ausdrücklich an möglichen künftigen Funktionen und damit auch der Laufbahnqualifikation zu orientieren (entsprechendes gilt für die Vorgabe in § 9 Abs. 1 Satz 1 BGleiG). Die Anforderungen des „Arbeitsplatzes“ i.S.v. § 6 Abs. 3 BGleiG sind daher in den von Art. 33 Abs. 2 GG dirigierten Auswahlverfahren im Interesse der mit dem Laufbahnprinzip angestrebten vielseitigen Verwendbarkeit auf das jeweils angestrebte Statusamt bezogen.
Die in der Stellenausschreibung zwingend vorausgesetzte Befähigung für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes entspricht diesen Maßstäben, weil sie unabhängig vom konkreten Dienstposten für alle im Beförderungsfall in Bezug genommenen Statusämter gilt. Die Einschränkung auf bestimmte Studienfachrichtungen ist dabei im Hinblick auf die fachliche Ausdifferenzierung der öffentlichen Verwaltung zulässig. Auch die in der Ausschreibung als vorrangig bei einer Auswahl unter Bewerbern mit gleichem Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung benannten Kriterien basieren auf sachlichen Erwägungen.
2. Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin zur Vergabe des Beförderungsdienstpostens ist aber deshalb fehlerhaft, weil sie auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht. Die dem Bewerbervergleich zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers ist rechtswidrig. Die für den Leistungsvergleich herangezogenen dienstlichen Beurteilungen sind nicht an gleichen Maßstäben orientiert.
Da die dienstliche Beurteilung den Vergleich mehrerer Bewerber miteinander ermöglichen soll, müssen die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden. Unabhängig von den unterschiedlichen Aufgabenbereichen der Beamten sind die auf dem jeweiligen Dienstposten erbrachten Leistungen am einheitlichen Maßstab des Statusamts zu beurteilen.
Diesen Maßstäben entspricht die vom Antragsteller angegriffene dienstliche Beurteilung nicht, weil das Gesamturteil nicht am einheitlichen Beurteilungsmaßstab des Statusamts, sondern an den Besonderheiten des vom Antragsteller wahrgenommenen Dienstpostens orientiert ist. Der Erstbeurteiler hat nämlich bei der Findung des Gesamturteils die Bereiche Soziale Kompetenz und Führungsverhalten besonders und vorrangig gewichtet, weil der Antragsteller ein räumlich an einem anderen Dienstort abgesetztes Sachgebiet geleitet habe. Maßgeblich und ausschlaggebend für das Gesamturteil war damit ein besonderes Kriterium, das nur in der spezifischen Situation des Antragstellers zur Anwendung gebracht worden ist. Die Gewichtung des Gesamturteils ist somit nicht an den Maßstäben orientiert, die für andere Beamte der maßgeblichen Vergleichsgruppe der Beamten mit demselben Statusamt bei derselben Behörde in Ansatz gebracht wurden.
3. Die für die Auswahlentscheidung herangezogene dienstliche Beurteilung des Antragstellers verletzt die Gewährleistung gleicher Beurteilungsmaßstäbe auch aus einem weiteren Grund, insoweit liegt jedenfalls ein Begründungsmangel vor.
Die Beurteilung des im öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehenden Beamten obliegt seinem Dienstherrn. Als eine die persönlichen Angelegenheiten des Beamten betreffende Maßnahme wird sie grundsätzlich vom Dienstvorgesetzten wahrgenommen; zuständig ist damit der Leiter derjenigen Behörde, welcher der Beamte zur Aufgabenwahrnehmung zugewiesen ist. Er kann die Erstellung der dienstlichen Beurteilung zwar – unter Berücksichtigung des sachlichen Zusammenhangs mit der Wahrnehmung der Fachaufsicht – auf ihm untergeordnete Mitarbeiter delegieren. Unabhängig von derartigen Zuweisungen wird die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung aber für den Behördenleiter wahrgenommen und ist diesem zuzurechnen. Er hat als „Maßstabshalter“ die Einhaltung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs sicherzustellen. Deshalb darf sich eine unterschiedliche Beurteilung derselben Leistung durch unterschiedliche Beurteiler innerhalb derselben Behörde nicht ergeben. Unabhängig von der konkret mit der Aufgabe der Erst- oder Zweitbeurteilung betrauten Person bleibt der Beurteilungsmaßstab für alle Beamten der Behörde mit demselben Statusamt vielmehr einheitlich und identisch. Diese Maßstabsverbindlichkeit gilt auch in den Fällen, in denen sich die Person von Erst- oder Zweitbeurteiler aus organisatorischen oder personellen Gründen geändert hat.
Dieselbe Leistung eines Beamten kann daher grundsätzlich nicht von einem Beurteiler mit der Höchststufe 9, nachfolgend aber von einem neuen Beurteiler mit dem Gesamturteil 7 bewertet werden. Eine derartig erhebliche Verschlechterung des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilung ist vielmehr nur dann denkbar, wenn entweder die vorangegangene dienstliche Beurteilung fehlerhaft war, die im aktuellen Beurteilungszeitraum gezeigten Leistungen nicht mehr den vorherigen entsprachen oder generell ein geänderter Beurteilungsmaßstab angewandt wurde. In jedem Falle aber bedarf eine derartige Herabstufung einer Begründung, weil nur so das neue, in erheblichem Ausmaß verschlechterte Gesamturteil vom betroffenen Beamten nachvollzogen werden kann.
Diesen Anforderungen entspricht die dienstliche Beurteilung des Antragstellers auch bei Berücksichtigung der nachträglichen Plausibilisierung nicht.
4. Die dienstliche Beurteilung ist darüber hinaus auch deswegen rechtswidrig, weil das Gesamturteil nicht begründet worden ist.
Die Begründung des Gesamturteils hat schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen. Anders als etwa bei nachträglich erhobenen Einwänden gegen Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung genügt es nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren. Ansonsten käme die besondere Bedeutung, die dem Gesamturteil im Vergleich zu den Einzelbewertungen zukommt, nicht zum Tragen. Die Einheitlichkeit der Maßstäbe, die der Bildung des Gesamturteils zugrunde zu liegen hat, kann nur dann hinreichend gewährleistet und ggf. gerichtlich überprüft werden, wenn diese von vornherein in der Beurteilung niedergelegt ist.
Eine entsprechende Begründung des Gesamturteils fehlt in der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers. Eine Begründung des Gesamturteils war auch nicht entbehrlich, weil im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht gekommen wäre, da sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufgedrängt hätte.
5. Die Vergabe des Dienstpostens an den Antragsteller erscheint bei einer erneuten Auswahlentscheidung auf der Grundlage einer fehlerfreien dienstlichen Beurteilung auch ernstlich möglich (vgl. zum Erfordernis der hinreichenden Wahrscheinlichkeit BVerfG, Beschl. v. 04.02.2016 – 2 BvR 2223/15 Rn. 86 – NVwZ 2016, 764 sowie BVerwG, Urt. v. 19.03.2015 – 2 C 12/14 Rn. 27 – BVerwGE 151, 333 für sekundärrechtliche Ansprüche).
C.
Kontext der Entscheidung
In diesem Beschluss des BVerwG ist eine Menge „drin“, auch wenn er in vielfältiger Weise an die bisherige Rechtsprechung anknüpft.
Die Vergabe eines Dienstpostens kann rückgängig gemacht werden, die Vergabe eines Statusamtes in der Regel nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.11.2010 – 2 C 16/09 Rn. 27 – BVerwGE 138, 102). Dementsprechend fehlt es bei einer reinen Dienstpostenkonkurrenz für das gerichtliche Eilverfahren des unterlegenen Bewerbers an einem Anordnungsgrund (BVerwG, Beschl. v. 27.09.2011 – 2 VR 3/11 Rn. 19 – Buchholz 232.1 § 48 BLV Nr 1); ist die reine Dienstpostenkonkurrenz zudem noch ämtergleich – geht es also nicht um einen höherwertigen Dienstposten –, fehlt es außerdem in der Regel an der Antrags- bzw. Klagebefugnis, denn Art. 33 Abs. 2 GG bezieht sich auf die Vergabe von Statusämtern, während die Vergabe von Dienstposten der nicht von Art. 33 Abs. 2 GG regierten Organisationsgewalt des Dienstherrn unterfällt (vgl. zur ämtergleichen Umsetzung BVerwG, Urt. v. 19.11.2015 – 2 A 6/13 Rn. 18 – BVerwGE 153, 246). Von dieser reinen Dienstpostenkonkurrenz ist die Dienstpostenkonkurrenz mit Vorwirkung auf die spätere Vergabe eines Statusamtes zu unterscheiden. In diesem Sinne Vorwirkung entfaltet die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens dann, wenn sie die spätere Vergabe des Statusamtes vorwegnimmt, die Beförderungsvoraussetzung der laufbahnrechtlichen Erprobung ermöglicht (BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 – 2 VR 1/13 Rn. 14 ff. m.w.N. – BVerwGE 147, 20) oder einen Bewährungsvorsprung vermittelt (BVerwG, Beschl. v. 10.05.2016 – 2 VR 2/15 Rn. 26 m.w.N. – Buchholz 11 Art. 33 Abs 2 GG Nr 74).
Im Beschluss vom 10.05.2016 (2 VR 2/15 Rn. 29 ff. – Buchholz 11 Art 33 Abs 2 GG Nr. 74) hat das BVerwG die Möglichkeit aufgezeigt, eine Vorwirkung der Dienstpostenvergabe durch den Bewährungsvorsprung im Wege seiner Ausblendung bei der späteren Vergabe eines Statusamtes zu vermeiden. Macht der Antragsteller von dieser Möglichkeit Gebrauch, kann er den Dienstposten auch während eines laufenden Konkurrentenstreitverfahrens über die Vergabe des Dienstpostens besetzen. Wegen der Ausblendung des Bewährungsvorsprungs fehlt es für das Eilverfahren an einem Anordnungsgrund, so dass der Konkurrentenstreit im Hauptsacheverfahren stattfindet. Im vorliegenden Beschluss verdeutlicht das BVerwG, auf welche Weise der Dienstherr deutlich machen kann, dass er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht: durch ausdrückliche Erklärung in (Beurteilungs- oder Beförderungs-)Richtlinien, in der Ausschreibung des Dienstpostens oder durch eine Zusage gegenüber einem unterlegenen Bewerber, der ein Konkurrentenstreitverfahren ankündigt oder durchführt. Die vom BVerwG ausdrücklich offengelassene Frage, ob auch die fehlende Erprobung des Beamten im Wege der fiktiven Fortschreibung seiner dienstlichen Beurteilung ersetzt werden könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.2006 – 2 C 13/05 Rn. 21 – BVerwGE 126, 333), dürfte zu verneinen sein.
Außerdem setzt sich das BVerwG ausdrücklich mit der vereinzelt unter Hinweis auf das BGleiG erhobenen Kritik gegen seine Rechtsprechung zur grundsätzlichen Unzulässigkeit von dienstpostenbezogenen Anforderungsprofilen (BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 – 2 VR 1/13 Rn. 24 ff. – BVerwGE 147, 20) auseinander. Es macht deutlich, dass die §§ 8 Abs. 2, 6 Abs. 3, 9 Abs. 1 Satz 1 BGleiG weder darauf gerichtet noch dazu geeignet sind, den materiellen Bezugspunkt der dienstrechtlichen Auswahlentscheidungen – das Statusamt – zu verschieben.
In seinem Ankreuz-Urteil (BVerwG, Urt. v. 17.09.2015 – 2 C 27/14 Rn. 11 ff. m.w.N. – BVerwGE 153, 48) hat das BVerwG entschieden, dass Einzelbewertungen in dienstlichen Beurteilungen durch Ankreuzen zulässig sind und ggf. erforderliche Plausibilisierungen nachträglich erfolgen können, das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung aber in der Regel einer Begründung bedarf. Das BVerwG verdeutlicht nunmehr, dass das Gesamturteil – anders als Einzelbewertungen – nicht nachträglich plausibilisiert werden kann (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 02.03.2017 – 2 C 51.16). Enthält das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung keine Begründung und ist diese auch nicht ausnahmsweise entbehrlich – weil nach den Einzelbewertungen eine andere Note nicht in Betracht kommt –, dann ist die dienstliche Beurteilung rechtsfehlerhaft und hat der betreffende Beamte einen Anspruch auf ihre Aufhebung und auf Neuerteilung.
D.
Auswirkungen für die Praxis
Das BVerwG setzt seine bisherige Rechtsprechung fort und ergänzt sie:
Der Dienstherr kann von der Möglichkeit, eine Vorwirkung der Dienstpostenbesetzung in Form eines „Bewährungsvorsprungs“ zu vermeiden, Gebrauch machen, indem er dies ausdrücklich erklärt in (Beurteilungs- oder Beförderungs-)Richtlinien, in der Ausschreibung des Dienstpostens oder durch eine Zusage gegenüber einem unterlegenen Bewerber, der ein Konkurrentenstreitverfahren ankündigt oder durchführt.
Das BGleiG steht der Annahme der grundsätzlichen Unzulässigkeit eines dienstpostenbezogenen Anforderungsprofils nicht entgegen.
Der Maßstab einer dienstlichen Beurteilung ist stets statusamtsbezogen; an diesem Maßstab sind die auf dem wahrgenommenen Dienstposten erbrachten Leistungen zu messen. Der Maßstab einer dienstlichen Beurteilung darf deshalb nicht auf die Anforderungen und Besonderheiten des wahrgenommenen Dienstpostens bezogen sein.
Das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung kann – ggf. deutlich – schlechter ausfallen als in der vorangegangenen dienstlichen Beurteilung, wenn einer der folgenden Fälle vorliegt: Die vorangegangene dienstliche Beurteilung war fehlerhaft; die im aktuellen Beurteilungszeitraum gezeigten Leistungen waren – ggf deutlich – schlechter als im vorherigen Beurteilungszeitraum; bei unverändertem Leistungsniveau hat sich der Beurteilungsmaßstab geändert, d.h. er ist strenger geworden. In jedem Falle bedarf eine derartige Herabstufung einer Begründung.
Die in der dienstlichen Beurteilung unterbliebene Begründung des Gesamturteils kann später nicht nachgeholt werden.
Auch bei einer rechtswidrigen Auswahlentscheidung hat ein Konkurrentenstreitverfahren nur dann Erfolg, wenn die Vergabe des Dienstpostens an den unterlegenen Mitbewerber hinreichend wahrscheinlich, d.h. ernstlich möglich ist.
Anmerkung zu: BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 21.12.2016 – 2 VR 1/16
Autor: Dr. Klaus von der Weiden, RiBVerwG
Erscheinungsdatum: 20.03.2017
Quelle: juris Logo
Normen: § 50 VwGO, Art 19 GG, § 22 BBG, § 8 BBG, § 1 BGleiG, Art 33 GG, § 8 BGleiG, § 6 BGleiG, § 9 BGleiG
Fundstelle: jurisPR-BVerwG 6/2017 Anm. 1
Herausgeber: Verein der Bundesrichter bei dem Bundesverwaltungsgericht e.V.
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