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Haftungsrecht – Urteilsbegründung im Klageverfahren VW

Im Namen des Volkes!

Urteil

In dem Rechtsstreit

der Volkswagen AG, vertreten durch den Vorstand, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg,

Klägerin

Prozessbevollmächtigte:

Geschäftszeichen: 728/11

gegen

Beklagte

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanw. v. Boehn, Marktstraße 13, 31303 Burgdorf, Geschäftszeichen: 23198U/23198

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Philipp als Einzelrichterin im schriftlichen Verfahren mit Erklärungsfrist bis zum 09.10.2012 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu voll­streckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicher­heit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht in Anspruch. Frau , eine Mitarbeiterin der Klägerin, gab der Beklagten 2008 ein Pferd zur Ausbil­dung, wofür sie inklusive Unterbringung ein Entgelt von 350,00 € entrichten sollte. Die Beklagte ritt das ihr übergebene Pferd zu Ausbildungszwecken, das zuvor jedenfalls bereits geritten war, wobei die Parteien den Ausbildungsstand des Tieres unterschied­lich beurteilen.

Am 24.03.2008 begab sich Frau  auf die Reitanlage in Celle, in die das Pferd zum Zweck der Ausbildung durch die Beklagte eingestellt war. Sie wollte ihr Pferd in der Reithalle selbst reiten. Die Beklagte blieb an der Bande der Reithalle zurück,  befand sich nebst anderen Reitern in der Reitbahn. Während sie im Begriff war, auf das Tier aufzusteigen, wurde sie bereits wieder abgeworfen. Sie hatte den linken Fuß im Steigbügel, das rechte Bein gerade über den Sattel bewegt, als das Pferd bockte, woraufhin  zu Boden stürzte und sich Sprunggelenk und Vorderfuß links brach.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe  auf Nachfrage bestätigt, dass diese ihr Pferd nun gefahrlos reiten könne. Die Klägerin ist der Ansicht, der zwischen der Beklagten und  abgeschlossene Vertrag richte sich auf den Erfolg eines zugerittenen, d. h. von jedermann ohne Probleme reitbaren Pferdes. Im Übrigen ist sie der Ansicht, die Beklagte habe der Zeugin  beim Aufsteigen Hilfe zu leisten gehabt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 5.689,72 nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst überreichten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Ein Anspruch der Klägerin (aus übergegangenem Recht) gegen die Beklagte ist nicht gegeben. Dies folgt daraus, dass ein Anspruch der  gegen die Beklagte nicht vorliegt.

Ein derartiger Anspruch zwischen den am Vertrag beteiligten Personen folgt nicht aus § 280 BGB wegen Schlechterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch die Be­klagte. Die Parteien verbindet ein sogenannter Berittvertrag. Die Vereinbarung war entgeltlich geschlossen, gerichtet darauf, dass neben der Versorgung des Tieres die Beklagte es selbst reitet und dabei ausbildet. Unabhängig davon, was die Parteien jeweils unter den verschiedenen von ihnen verwendeten Begriffen wie „Anreiten“ und „Zureiten“ verstehen, ist unstreitig, dass es sich bei dem von der Zeugin an die Beklagte zur weiteren Ausbildung übergebenen Pferd um ein solches handelt, das in der Ver­gangenheit jedenfalls geritten schon war, d. h. also nicht „roh“, d. h. gänzlich ungeritten. Ob die Beklagte nunmehr zu sogenanntem „Korrekturberitt“ wegen Problemen der  mit ihrem Pferd eingeschaltet war, oder zur weiteren Ausbildung des Tieres, jedenfalls schuldete sie vorrangig (abgesehen von der artgerechten Unterbrin­gung des Pferdes) ein Tätigwerden, nämlich ein Reiten des Pferdes und dabei dessen Rittigkeit verbesserndes Verhalten.

Die Einzelrichterin sieht in der vertraglichen Vereinbarung der  mit der Beklagten einen gemischten Vertrag, der u. a. hinsichtlich des Berittes Komponenten des Dienstvertrages enthält. Dass ein Erfolg dahingehend geschuldet wäre, dass das Tier in der Zukunft von jedermann gefahrlos zu reiten wäre, sieht die Einzelrichterin hingegen nicht. Dies ist ein Erfolg, den angesichts der Tiergefahr, d. h. des unbere­chenbaren tierischen Verhaltens, niemand herbeiführen kann. Unfälle beim Reiten treten üblicherweise immer wieder auf, geschehen auch mit langjährig gerittenen und weitestgehend zuverlässigen Pferden, wegen der in der tierischen Natur liegenden Unberechenbarkeiten.

Dahinstehen kann, ob die  die Beklagte vor dem Reiten gefragt hat, ob sie ihr Pferd nunmehr ohne Probleme reiten könne. Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass die Beklagte ihrerseits beim Reiten des Ponys Probleme nicht hatte. Von daher sieht die Kammer in einer etwaigen Erklärung der Beklagten gegenüber der , diese könne das Pferd nunmehr reiten, keine Pflichtverletzung, da nicht ersichtlich ist, dass sie bessere Erkenntnisse gehabt hat. Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte  hätte beim Aufsteigen behilflich sein müssen. Üblicherweise steigt ein Reiter eigenständig auf sein Tier auf, soweit es sich nicht um allererste Reit­versuche mit einem wie beschriebenen „rohen“ Pferd handelt, oder um erste Reitversu­che eines Anfängers. Weder auf der einen, noch auf der anderen Seite ist eine derarti­ge Konstellation ersichtlich oder vorgetragen.  ist vielmehr die Eigentüme­rin des Pferdes, die dieses auch vor der Übergabe an die Beklagte selbst geritten hat. Sie hat eigenverantwortlich und auf eigenes Risiko gehandelt, als sie ihr eigenes Pferd genutzt hat.

Im Übrigenist auch ein Anspruch gem. § 833 S.1BGB nicht gegeben. Die Beklagte ist nicht Halterin des Ponys geworden, vielmehr war dies nach wie vor . Tierhalter ist, wer die tatsächliche Bestimmungsmacht über ein Pferd hat, aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt. Das gilt auch dann, wenn ein Tierhalter ein Pferd länger einem Dritten überlässt (BGH NJW – RR 1988, 655 ff.).

Des Weiteren besteht kein Anspruch der  gegen die Beklagte gemäß § 834 BGB. Zwar ist die Beklagte als Tierhüterin im Sinne der Norm anzusehen, weil sie die selbstständige allgemeine Gewalt und Aufsicht über das Tier im Rahmen der ver­traglichen Vereinbarungen mit  übertragen bekommen hat. Jedoch ist  keine Dritte im Sinne dieser Norm, sondern die Halterin des Schadens-verursachenden Tieres.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO

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