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Verkehrsrecht: Bundesgerichtshof verneint Zurechnungszusammenhang zwischen unfallbedingten Verletzungen und Folgeschäden wegen einer Begehrensneurose

Leitsatz

Für die Verneinung des Zurechnungszusammenhangs zwischen unfallbedingten Verletzungen und Folgeschäden wegen einer Begehrensneurose ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sindDer 6. Zivilsenat führt dazu aus:

Für die Verneinung des Zurechnungszusammenhangs ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sind. Nichts anderes ergibt sich aus dem Senatsurteil vom 16. November 1999 (- VI ZR 257/98VersR 2000, 372, 373 unter II. 2. b) bb)), in dem von einer „reinen“ Begehrensneurose die Rede ist. Diese Formulierung darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Ausschluss der haftungsrechtlichen Zurechnung unter dem Gesichtspunkt einer prägend im Vordergrund stehenden Begehrenshaltung nur dann möglich ist, wenn sie die einzige Ursache des Beschwerdebildes ist. Eine alleinige Ursache für eine Begehrenshaltung wird schon deswegen kaum jemals auszumachen sein, weil psychoreaktive Symptome nach äußeren Ereignissen immer aus einem Geflecht verschiedener Ursachen bestehen (Foerster in Venzlaff/Foerster, aaO S. 680; vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 – VI ZR 376/96, aaO S. 150 f.; G. Müller, VersR 1998, 129, 133). Der für die hier zu beurteilende Zurechnung maßgebliche Gesichtspunkt ist daher, ob der neurotische Zustand des Geschädigten entscheidend von der Begehrenshaltung geprägt wird (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 – VI ZR 376/96, aaO S. 150). Dabei handelt es sich um eine Wertungsfrage, die, wie vorstehend dargelegt, auf der Grundlage von – regelmäßig nach sachverständiger Beratung – zu treffenden Feststellungen zu den bestehenden Beschwerden, den primären Unfallverletzungen und ihren Folgen, dem Unfallerlebnis, der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen und eventuellen sekundären Motiven vorzunehmen ist. Im Einzelfall kann die Wertung schon dann eine das Beschwerdebild prägende Begehrenshaltung ergeben, wenn – wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts – 90 % des Krankheitsbildes auf eine Begehrenshaltung zurückzuführen ist.

Urteil v. 10. Juli 2012 – VI ZR 127/11 –

Bernhard von Boehn Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Versicherungsrecht
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