Zum Inhalt springen

Versicherungsrecht: Krankenversicherung: OLG Karlsruhe: Künstliche Befruchtung: Private Krankenversicherung darf Kostenerstattung nicht auf Ehepaare beschränken  

Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass bei einer privaten Krankenversicherung die Beschränkung der Kostenerstattung für Maßnahmen zur In-vitro-Befruchtung auf verheiratete Versicherte in den allgemeinen Versicherungsbedingungen unwirksam ist.

Die Klägerin ist bei der Beklagten privat krankenversichert. Sie fordert die Erstattung von Maßnahmen zur In-vitro-Befruchtung. Die Klägerin kann zwar auf natürlichem Wege schwanger werden, sie leidet jedoch an einer chromosomalen Veränderung aufgrund derer die Wahrscheinlichkeit für eine intakte Schwangerschaft bzw. für ein gesundes Kind bei unter 50% liegt. Die Beklagte übernimmt laut ihren Versicherungsbedingungen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung aufgrund von organisch bedingter Sterilität für insgesamt drei Behandlungsversuche bei hinreichender Erfolgsaussicht. Allerdings besteht der Anspruch laut den Versicherungsbedingungen nur, wenn die versicherte Person verheiratet ist und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Die Klägerin ließ vor ihrer Heirat einen Versuch zur künstlichen Befruchtung mit In-vitro-Fertilisation einschließlich von Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen durchführen. Der voreheliche Behandlungsversuch verursachte Kosten i.H.v. 11.771 Euro und war erfolglos. Die Versicherung hielt die Beschränkung auf Verheiratete unter Hinweis auf eine ähnliche Bestimmung für gesetzlich Versicherte für wirksam. Der Versicherer machte außerdem geltend, dass die Klägerin grundsätzlich auf natürlichem Wege schwanger werden könne und damit nicht organisch steril sei. Die Klägerin verlangte die Kosten der vorehelichen Behandlung und wollte festgestellt wissen, dass die private Krankenversicherung verpflichtet ist, weitere Behandlungsversuche zu erstatten.

Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass die Beschränkung der Kostenerstattung auf verheiratete Versicherte unwirksam ist.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts verfolgt der private Krankenversicherer, anders als der Gesetzgeber, der bei der Gestaltung der Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherung andere – etwa gesellschaftspolitische – Erwägungen anstellen kann, ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Vor diesem Hintergrund sei die Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten mit Kinderwunsch aber willkürlich und die Vertragsbestimmung damit unwirksam. Die Beschränkung des Anspruches auf insgesamt drei Versuche sei hingegen wirksam. Die Klägerin habe auch Anspruch auf die Erstattung der in ihrem Fall gesetzlich zulässigen Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen der Eizellen bzw. des Embryos. Die bei der Klägerin vorhandene genetische Veränderung beeinträchtige, auch wenn die Klägerin auf natürlichem Wege schwanger werden könne, aufgrund des hohen Risikos eines Scheiterns der Schwangerschaft bei genetischer Schädigung der Eizelle ihre Fortpflanzungsfähigkeit und stelle damit eine Krankheit der Klägerin dar.

Da sowohl die Frage, ob eine Begrenzung der Leistung für künstliche Befruchtung auf Verheiratete als auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen private Krankenversicherer Maßnahmen der Vorimplantationsdiagnostik erstatten müssen, bislang nicht höchstrichterlich geklärt sind, hat das OLG Karlsruhe für die beklagte Versicherung die Revision zum BGH zugelassen.

Gericht/Institution: OLG Karlsruhe
Erscheinungsdatum: 13.10.2017
Entscheidungsdatum: 13.10.2017
Aktenzeichen: 12 U 107/17

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe v. 13.10.2017

Schlagwörter: