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Mobbing und Personenschaden

Schadensersatz bei systematischer Schikane am Arbeitsplatz – Rechtsprechung im Arbeits- und Beamtenrecht

Schadensersatz bei systematischer Schikane am Arbeitsplatz – Rechtsprechung im Arbeits- und Beamtenrecht

Mobbing als Ursache schwerer Personenschäden

Systematisches Mobbing am Arbeitsplatz kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen – von Burnout und Depressionen bis hin zu dauerhafter Berufsunfähigkeit. Die finanziellen Folgen für Betroffene sind oft existenzbedrohend: Verdienstausfall, Heilbehandlungskosten, Schmerzensgeld und dauerhafte Erwerbsminderung summieren sich schnell zu sechsstelligen Beträgen.

Die zentrale Frage: Wer haftet für die Personenschäden, die durch Mobbing entstehen? Die Antwort führt über das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und die Grundsätze des Schadensersatzrechts.

Definition und rechtliche Einordnung

Der Begriff „Mobbing“ ist kein eigenstaendiger Rechtsbegriff im deutschen Recht. Die Rechtsprechung – sowohl des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) – versteht darunter:

Systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren – wobei nicht einzelne Vorfälle, sondern eine Gesamtschau der Handlungen und deren Zielrichtung entscheidend ist.

Rechtlich wird Mobbing geprüft als:

  • Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG)
  • Verletzung der Gesundheit (§ 823 Abs. 1 BGB)
  • Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn
  • Verstoß gegen das AGG bei diskriminierenden Handlungen (§ 12 AGG)

Mobbing in der Rechtsprechung: Arbeitsrecht vs. Beamtenrecht

Die Grundsätze der Mobbing-Rechtsprechung sind in beiden Rechtsgebieten weitgehend parallel entwickelt worden. Die folgende Übersicht zeigt die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

AspektArbeitsrecht (BAG)Beamtenrecht (BVerwG)
DefinitionSystematisches Anfeinden, Schikanieren, DiskriminierenIdentisch: Systematisches Anfeinden, Schikanieren, Diskriminieren
PrüfungsmaßstabGesamtschau aller Handlungen erforderlichGesamtschau der Handlungen und deren Zielrichtung
BeweislastBeim Arbeitnehmer; konkrete Handlungen mit zeitlicher EinordnungBeim Kläger; detaillierte Darstellung der Vorfälle
SchutzpflichtFürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB)Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 45 BeamtStG)
Anspruchsgrundlage§§ 280, 823, 253 BGB; § 12 AGGBeamtenrechtlicher Schadensersatz; § 45 BeamtStG

Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.02.2024 – 4 B 5.19; Besgen, B+P 2024, 532-533

Schadensersatzansprüche bei Mobbing-Personenschäden

Führt Mobbing zu Gesundheitsschäden, stehen dem Betroffenen umfassende Schadensersatzansprüche zu. Diese richten sich gegen den unmittelbaren Täter (Kollege, Vorgesetzter) und – oft praktisch wichtiger – gegen den Arbeitgeber oder Dienstherrn.

Ersatzfähige Schadenspositionen

  • Schmerzensgeld: Ausgleich für psychische und physische Beeinträchtigungen; Beträge je nach Schwere zwischen 5.000 € und 50.000 €, in Extremfällen höher
  • Verdienstausfall: Entgangenes Einkommen während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
  • Erwerbsschaden: Dauerhafte Einkommenseinbußen bei bleibender Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit
  • Heilbehandlungskosten: Therapiekosten, Medikamente, Rehabilitationsmaßnahmen
  • Haushaltsführungsschaden: Einschränkungen bei der Haushaltsführung (OLG Celle: 15 €/Stunde)

Haftung des Arbeitgebers und Dienstherrn

Der Arbeitgeber haftet für Mobbing-Schäden auf mehreren Ebenen:

Eigene Fürsorgepflichtverletzung

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Arbeitnehmer vor Mobbing zu schützen. Dies umfasst die Pflicht, bei Kenntnis von Mobbing-Vorwürfen aktiv einzuschreiten: Aufklärung des Sachverhalts, Ergreifen geeigneter Maßnahmen (Abmahnung, Versetzung, Kündigung des Täters), Einrichtung von Beschwerdemöglichkeiten.

Unterlassen = Haftung: Unterlässt der Arbeitgeber trotz Kenntnis von Mobbing-Vorfällen schützende Maßnahmen, haftet er selbst für die daraus entstehenden Schäden – unabhängig davon, ob er selbst gemobbt hat.

Zurechnung des Verhaltens von Vorgesetzten

Mobbt ein Vorgesetzter einen Mitarbeiter, wird dieses Verhalten dem Arbeitgeber nach § 278 BGB (Erfüllungsgehilfe) oder § 831 BGB (Verrichtungsgehilfe) zugerechnet. Der Arbeitgeber haftet dann wie für eigenes Verschulden.

Die Hürde: Darlegungs- und Beweislast

Die größte Herausforderung in Mobbing-Verfahren ist die Beweisführung. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen:

Konkrete Darlegung erforderlich: Der Betroffene muss die einzelnen Mobbing-Handlungen konkret und mit zeitlicher Einordnung darlegen. Pauschale Behauptungen (‚Ich wurde ueber Jahre gemobbt‘) genuegen nicht.

Was nicht ausreicht

  • Ärztliche Atteste allein beweisen kein Mobbing – sie belegen nur die gesundheitliche Beeinträchtigung
  • Pauschale Schilderungen ohne konkrete Vorfälle
  • Subjektives Empfinden ohne objektiv nachvollziehbare Handlungen

Strategische Empfehlungen

  • Mobbing-Tagebuch führen: Jede Handlung mit Datum, Uhrzeit, Zeugen und wörtlichen Äußerungen dokumentieren
  • Zeugen sichern: Namen von Kollegen notieren, die Vorfälle beobachtet haben
  • Schriftliche Kommunikation aufbewahren: E-Mails, Chat-Nachrichten, schriftliche Anweisungen
  • Frühzeitig Beschwerde einlegen: Schriftliche Beschwerde bei HR oder Betriebsrat dokumentiert die Kenntnis des Arbeitgebers

Abgrenzung: Was ist kein Mobbing?

Nicht jeder Konflikt am Arbeitsplatz ist Mobbing. Die Rechtsprechung grenzt deutlich ab:

  • Übliche Meinungsverschiedenheiten und Konflikte im Arbeitsalltag
  • Berechtigte Kritik an der Arbeitsleistung
  • Einzelne unhöfliche oder respektlose Verhaltensweisen
  • Rechtmäßige Weisungen des Arbeitgebers, auch wenn sie als belastend empfunden werden
  • Maßnahmen im Rahmen des Direktionsrechts (Versetzung, Aufgabenänderung)

Entscheidend ist die Systematik und Zielrichtung: Erst wenn Handlungen über übliche Konflikte hinausgehen und erkennbar darauf abzielen, den Betroffenen zu zermürben oder aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen, liegt Mobbing vor.

Kostenlose Ersteinschätzung bei Mobbing-Verdacht

Sie werden am Arbeitsplatz systematisch schikaniert und leiden unter gesundheitlichen Folgen? Lassen Sie Ihre Ansprüche von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen.

Telefon: 0511 3003780

Rechtsprechung und Literatur

  1. Besgen, Mobbing: Bundesarbeitsgericht stärkt Arbeitnehmerrechte!, B+P 2008, 456-458
  2. Besgen, Schadensersatzanspruch wegen Mobbings, B+P 2024, 532-533
  3. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.02.2024 – 4 B 5.19 (Beamtenrechtlicher Schadensersatz wegen Mobbings)
  4. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.12.2013 – 10 Sa 375/13 (Schadenersatz und Geldentschädigung wegen Mobbing)
  5. §§ 241 Abs. 2, 278, 280, 823, 831 BGB; § 12 AGG; § 45 BeamtStG

Kanzlei von Boehn | Rechtsanwalt Bernhard von Boehn

Fachanwalt für Arbeitsrecht | Fachanwalt für Verkehrsrecht | Fachanwalt für Versicherungsrecht

Burgdorf bei Hannover | www.von-boehn.de

Mobbing und Personenschaden

Schadensersatz bei systematischer Schikane am Arbeitsplatz – Rechtsprechung im Arbeits- und Beamtenrecht

Mobbing als Ursache schwerer Personenschäden

Systematisches Mobbing am Arbeitsplatz kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen – von Burnout und Depressionen bis hin zu dauerhafter Berufsunfähigkeit. Die finanziellen Folgen für Betroffene sind oft existenzbedrohend: Verdienstausfall, Heilbehandlungskosten, Schmerzensgeld und dauerhafte Erwerbsminderung summieren sich schnell zu sechsstelligen Beträgen.

Die zentrale Frage: Wer haftet für die Personenschäden, die durch Mobbing entstehen? Die Antwort führt über das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und die Grundsätze des Schadensersatzrechts.

Definition und rechtliche Einordnung

Der Begriff „Mobbing“ ist kein eigenstaendiger Rechtsbegriff im deutschen Recht. Die Rechtsprechung – sowohl des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) – versteht darunter:

Systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren – wobei nicht einzelne Vorfälle, sondern eine Gesamtschau der Handlungen und deren Zielrichtung entscheidend ist.

Rechtlich wird Mobbing geprüft als:

  • Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG)
  • Verletzung der Gesundheit (§ 823 Abs. 1 BGB)
  • Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn
  • Verstoß gegen das AGG bei diskriminierenden Handlungen (§ 12 AGG)

Mobbing in der Rechtsprechung: Arbeitsrecht vs. Beamtenrecht

Die Grundsätze der Mobbing-Rechtsprechung sind in beiden Rechtsgebieten weitgehend parallel entwickelt worden. Die folgende Übersicht zeigt die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

AspektArbeitsrecht (BAG)Beamtenrecht (BVerwG)
DefinitionSystematisches Anfeinden, Schikanieren, DiskriminierenIdentisch: Systematisches Anfeinden, Schikanieren, Diskriminieren
PrüfungsmaßstabGesamtschau aller Handlungen erforderlichGesamtschau der Handlungen und deren Zielrichtung
BeweislastBeim Arbeitnehmer; konkrete Handlungen mit zeitlicher EinordnungBeim Kläger; detaillierte Darstellung der Vorfälle
SchutzpflichtFürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB)Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 45 BeamtStG)
Anspruchsgrundlage§§ 280, 823, 253 BGB; § 12 AGGBeamtenrechtlicher Schadensersatz; § 45 BeamtStG

Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.02.2024 – 4 B 5.19; Besgen, B+P 2024, 532-533

Schadensersatzansprüche bei Mobbing-Personenschäden

Führt Mobbing zu Gesundheitsschäden, stehen dem Betroffenen umfassende Schadensersatzansprüche zu. Diese richten sich gegen den unmittelbaren Täter (Kollege, Vorgesetzter) und – oft praktisch wichtiger – gegen den Arbeitgeber oder Dienstherrn.

Ersatzfähige Schadenspositionen

  • Schmerzensgeld: Ausgleich für psychische und physische Beeinträchtigungen; Beträge je nach Schwere zwischen 5.000 € und 50.000 €, in Extremfällen höher
  • Verdienstausfall: Entgangenes Einkommen während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
  • Erwerbsschaden: Dauerhafte Einkommenseinbußen bei bleibender Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit
  • Heilbehandlungskosten: Therapiekosten, Medikamente, Rehabilitationsmaßnahmen
  • Haushaltsführungsschaden: Einschränkungen bei der Haushaltsführung (OLG Celle: 15 €/Stunde)

Haftung des Arbeitgebers und Dienstherrn

Der Arbeitgeber haftet für Mobbing-Schäden auf mehreren Ebenen:

Eigene Fürsorgepflichtverletzung

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Arbeitnehmer vor Mobbing zu schützen. Dies umfasst die Pflicht, bei Kenntnis von Mobbing-Vorwürfen aktiv einzuschreiten: Aufklärung des Sachverhalts, Ergreifen geeigneter Maßnahmen (Abmahnung, Versetzung, Kündigung des Täters), Einrichtung von Beschwerdemöglichkeiten.

Unterlassen = Haftung: Unterlässt der Arbeitgeber trotz Kenntnis von Mobbing-Vorfällen schützende Maßnahmen, haftet er selbst für die daraus entstehenden Schäden – unabhängig davon, ob er selbst gemobbt hat.

Zurechnung des Verhaltens von Vorgesetzten

Mobbt ein Vorgesetzter einen Mitarbeiter, wird dieses Verhalten dem Arbeitgeber nach § 278 BGB (Erfüllungsgehilfe) oder § 831 BGB (Verrichtungsgehilfe) zugerechnet. Der Arbeitgeber haftet dann wie für eigenes Verschulden.

Die Hürde: Darlegungs- und Beweislast

Die größte Herausforderung in Mobbing-Verfahren ist die Beweisführung. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen:

Konkrete Darlegung erforderlich: Der Betroffene muss die einzelnen Mobbing-Handlungen konkret und mit zeitlicher Einordnung darlegen. Pauschale Behauptungen (‚Ich wurde ueber Jahre gemobbt‘) genuegen nicht.

Was nicht ausreicht

  • Ärztliche Atteste allein beweisen kein Mobbing – sie belegen nur die gesundheitliche Beeinträchtigung
  • Pauschale Schilderungen ohne konkrete Vorfälle
  • Subjektives Empfinden ohne objektiv nachvollziehbare Handlungen

Strategische Empfehlungen

  • Mobbing-Tagebuch führen: Jede Handlung mit Datum, Uhrzeit, Zeugen und wörtlichen Äußerungen dokumentieren
  • Zeugen sichern: Namen von Kollegen notieren, die Vorfälle beobachtet haben
  • Schriftliche Kommunikation aufbewahren: E-Mails, Chat-Nachrichten, schriftliche Anweisungen
  • Frühzeitig Beschwerde einlegen: Schriftliche Beschwerde bei HR oder Betriebsrat dokumentiert die Kenntnis des Arbeitgebers

Abgrenzung: Was ist kein Mobbing?

Nicht jeder Konflikt am Arbeitsplatz ist Mobbing. Die Rechtsprechung grenzt deutlich ab:

  • Übliche Meinungsverschiedenheiten und Konflikte im Arbeitsalltag
  • Berechtigte Kritik an der Arbeitsleistung
  • Einzelne unhöfliche oder respektlose Verhaltensweisen
  • Rechtmäßige Weisungen des Arbeitgebers, auch wenn sie als belastend empfunden werden
  • Maßnahmen im Rahmen des Direktionsrechts (Versetzung, Aufgabenänderung)

Entscheidend ist die Systematik und Zielrichtung: Erst wenn Handlungen über übliche Konflikte hinausgehen und erkennbar darauf abzielen, den Betroffenen zu zermürben oder aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen, liegt Mobbing vor.

Kostenlose Ersteinschätzung bei Mobbing-Verdacht

Sie werden am Arbeitsplatz systematisch schikaniert und leiden unter gesundheitlichen Folgen? Lassen Sie Ihre Ansprüche von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen.

Telefon: 0511 3003780

Rechtsprechung und Literatur

  1. Besgen, Mobbing: Bundesarbeitsgericht stärkt Arbeitnehmerrechte!, B+P 2008, 456-458
  2. Besgen, Schadensersatzanspruch wegen Mobbings, B+P 2024, 532-533
  3. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.02.2024 – 4 B 5.19 (Beamtenrechtlicher Schadensersatz wegen Mobbings)
  4. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.12.2013 – 10 Sa 375/13 (Schadenersatz und Geldentschädigung wegen Mobbing)
  5. §§ 241 Abs. 2, 278, 280, 823, 831 BGB; § 12 AGG; § 45 BeamtStG

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