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Arbeitsrecht: Bundesarbeitsgericht: Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen über Sozialkassenverfahren des Baugewerbes (AVE VTV 2013)

Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen von Tarifverträgen über Sozialkassenverfahren des Baugewerbes (AVE VTV 2013)

Das BAG hat entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes in 2013 unwirksam sind.

Auf Antrag der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 29.05.2013 den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 18.12.2009 i.d.F. des Änderungstarifvertrags vom 17.12.2012 gemäß § 5 TVG in der damals geltenden Fassung mit bereits im Antrag enthaltenen Einschränkungen bezüglich des betrieblichen Geltungsbereichs („Große Einschränkungsklausel“) für allgemeinverbindlich erklärt (AVE VTV 2013 I). Am 25.10.2013 erfolgte die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV vom 03.05.2013 (AVE VTV 2013 II). Der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag regelt das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Bei den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes (Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt – IG BAU, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. – HDB und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. – ZDB). Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren, die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes zusätzliche Altersversorgungsleistungen, die jeweils in gesonderten Tarifverträgen näher geregelt sind. Zur Finanzierung dieser Leistungen werden nach Maßgabe des VTV Beiträge von den Arbeitgebern erhoben. Durch die AVE gelten die Tarifverträge nicht nur für die tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber der Branche. Sie sind hiernach zur Beitragszahlung verpflichtet. Sowohl die Arbeitgeber als auch ihre Beschäftigten erhalten Leistungen von den Sozialkassen. Bei den Antragstellern handelt es sich überwiegend um Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind und deshalb nur auf Grundlage der Allgemeinverbindlicherklärungen zu Beitragszahlungen herangezogen wurden. Sie haben die Auffassung vertreten, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärungen hätten nicht vorgelegen. Insbesondere hätten die tarifgebundenen Arbeitgeber der Baubranche nicht 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigt (50%-Quote). Auch habe kein öffentliches Interesse für die Allgemeinverbindlicherklärungen vorgelegen.
Das Landesarbeitsgericht hatte die Anträge zurückgewiesen und festgestellt, dass die angegriffenen Allgemeinverbindlicherklärungen wirksam sind.

Das BAG hat entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärungen vom 29.05.2013 und 25.10.2013 des VTV unwirksam sind.

Nach Auffassung des BAG gibt es keine tragfähige Grundlage für die Annahme des BMAS, wonach zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverbindlicherklärungen in der Baubranche mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren. Die AVE VTV 2013 II sei überdies unwirksam, weil die damals zuständige Ministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, nicht mit dem Normsetzungsakt befasst gewesen sei. Darin liege ein Verstoß gegen das in Art. 20 GG verankerte Demokratieprinzip. Die Feststellung der Unwirksamkeit der AVE VTV 2013 I und II wirke gemäß § 98 Abs. 4 ArbGG für und gegen jedermann. Sie habe zur Folge, dass im maßgeblichen Zeitraum nur für tarifgebundene Arbeitgeber eine Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes bestand. Andere Arbeitgeber der Baubranche seien nicht aufgrund der AVE verpflichtet, für das Jahr 2013 Beiträge zu leisten.

Entscheidungsdatum: 25.01.2017
Aktenzeichen: 10 ABR 34/15

Vorinstanz
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 08.07.2015 – 4 BVL 5004/14 und 4 BVL 5005/14

Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 3/2017 v. 25.01.2017

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