Die Klägerin war 30 Jahre, zuletzt als Arbeitsvermittlerin, bei der Agentur für Arbeit C… beschäftigt. Anfang Januar 2019 stellte die Vorgesetzte der Klägerin Unregelmäßigkeiten bei den Arbeitszeitbuchungen der Klägerin fest. Die Feststellungen betrafen Raucherpausen an drei Tagen. Die Beklagte hörte die Klägerin an. Sie äußerte sich schriftlich: „Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es mir sehr leid tut, dass ein solcher nachlässiger „Schludrian“ bei mir eingerissen ist. Ich habe Ihre Mitteilung deshalb sehr ernst genommen und seither jede einzelne Raucherpause ganz genau und minutiös aufgezeichnet. Ein derartiges Verhalten wird sich mit Sicherheit nicht mehr wiederholen, hiervon können Sie ausgehen.“ Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß. Die Klägerin hielt die Kündigung für sozial ungerechtfertigt. Im Kündigungsrecht scheitert sie ausgeführt, es sei bekannt gewesen, dass sie nie alleine, sondern stets in kleineren Grüppchen Raucherpausen gemacht habe. Alleine die Klägerin sei sanktioniert worden. Die Beklagte messe mit zweierlei Maß. Die Klägerin habe allenfalls nachlässig gehandelt. Die Beklagte hat ausgeführt, dass die Klägerin mit ihrer Unterschrift auf einem Belehrungsbogen zur Erfassung der Arbeitszeiten bestätigt habe, dass ihr die Verpflichtung zur Buchung sämtlicher Raucherpausen bekannt war.
Mit Urteil vom 29.07.2020 hat das Arbeitsgericht Suhl dem Kündigungsschutzantrag mit Blick auf die außerordentliche Kündigung stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das LAG Thüringen zurückgewiesen. Mit folgender Begründung:Ein Arbeitszeitbetrug, bei dem ein Mitarbeiter vortäuscht, für einen näher genannten Zeitraum seine Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang der Fall ist, stellt eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar und erfüllt an sich den Tatbestand des wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB (LAG Niedersachsen 09.06.2008 – 8 TaBV 10/08, Rn 38; KR-Fischermeier, 13. Auflage 2022, § 626 Rn. 461). …Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an.“ Der Klägerin sei auch bekannt gewesen, dass sie Raucherpausen zu erfassen habe. Es werde auch nicht mit zweierlei Maß gemessen, da die Klägerin nicht vorgetragen habe, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit bei Nichtaufzeichnung der Raucherpausen keine kündigungsrechtlichen Konsequenzen gezogen oder die Klägerin willkürlich herausgegriffen hat. Die Klägerin konnte nicht erlegen, dass die Kollegen die Raucherzeiten nicht dokumentiert hatten. Auch das 30-jährige Arbeitsverhältnis Schütze die Klägerin nicht vor Kündigung. Das LAG führt aus: „Wegen der Schwere der Pflichtverletzung stellt sich die ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung auch nach der durchzuführenden Interessenabwägung als sozial gerechtfertigt dar. Zwar ist die Klägerin bereits seit über 30 Jahren bei der Beklagten bzw. deren „Vorgängern“ beschäftigt. Zu beachten ist zulasten der Klägerin jedoch, dass ihre Pflichtverletzung unter dem Gesichtspunkt des Arbeitszeitbetrugs strafrechtliche Relevanz hat. Auch nach langjähriger Beschäftigungsdauer kann einem verständigen Arbeitgeber nicht zugemutet werden, durch das vorsätzliche Nichterfassen von Pausenzeiten betrogen zu werden. Durch die Möglichkeit, die Arbeitszeit im Rahmen des flexiblen Arbeitszeitmodells selbst zu erfassen, haben alle Arbeitnehmer und so auch die Klägerin einen Vertrauensvorschuss erhalten. Dieses Vertrauen hat die Klägerin missbraucht. Das wiederholte Nichtbuchen von Raucherpausen und das dadurch bedingte Erschleichen bezahlter Pausen durch die Klägerin stellen einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar, der auch nach langjähriger Beschäftigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.“
l Landesarbeitsgericht Thüringen, Urteil vom 03.05.2022 – 1 Sa 18/21