Zum Inhalt springen

Arzthaftung: OLG Hamm: Medizinische Neulandmethode erfordert besondere Aufklärung

Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Einwilligung einer Patientin in eine Operation mit einer neuen, noch nicht allgemein eingeführten Methode (Neulandmethode) unwirksam ist, wenn die Patientin nicht besonders darauf hingewiesen wird, dass es sich um ein neues Verfahren handelt, bei dem auch unbekannte Risiken auftreten können.

Die Klägerin begab sichin ein Krankenhaus der Beklagten in Siegen. Dort stellte man die Diagnose Belastungsharninkontinenz. Die Ärzte schlugen vor ein Netz einzubrinden. Der operative Eingriff erfolgte noch im April 2008. In der Folgezeit litt die Klägerin an einer Dyspareunie und einer restlichen Harninkontinenz. Bis zum April 2009 unterzog sie sich fünf weiteren Operationen. Sie leidet unter wiederkehrenden Schmerzen.

Das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 Euro zugesprochen.

Das OLG Hamm hat das erstinstanzliche Urteil des LG Siegen vom 05.05.2017 (Az. 2 O 1/15) bestätigt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der im Hause der Beklagten im April 2008 durchgeführte operative Eingriff rechtswidrig und verpflichtet die Beklagte zum Schadensersatz. Er sei nicht von einer wirksamen Einwilligung der Klägerin gedeckt gewesen.

Die Klägerin sei über die Neulandmethode augeklärt unzureichend gewesen, weil die Klägerin nicht auf die seinerzeit noch nicht abschließend bekannten Risiken der neuen Methode hingewiesen worden sei.

Die klinische Erprobungsphase des seit dem Jahre 2005 zunächst in den USA eingesetzten Verfahrens sei noch nicht abgeschlossen gewesen. So sei auch noch nicht bekannt gewesen, dass das Einsetzen eines Netzes im Beckenbodenbereich massive gesundheitliche Probleme nach sich ziehen könne. Bei dieser Sachlage habe die Klägerin explizit darauf hingewiesen werden müssen, dass es sich um ein neues, noch nicht abschließend beurteilbares Verfahren handele.

Deshalb hätte ihr ausdrücklich verdeutlicht werden müssen, dass auch unbekannte Komplikationen auftreten könnten.  Diesen gesteigerten Anforderungen habe die Aufklärung im Hause der Beklagten nicht genügt.

Gericht/Institution: OLG Hamm
Erscheinungsdatum: 20.02.2018
Entscheidungsdatum: 23.01.2018
Aktenzeichen: 26 U 76/17

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 20.02.2018

Arzthaftung: OLG Hamm: Krankenhaus muss nicht immer Namen und Anschriften seiner Ärzte mitteilen

Schlagwörter: