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Bankrecht: Vorsicht: geschlossene Immobilienfonds – Anleger haften mittelbar für Schulden der Gesellschaft

Gläubigerschutz bei geschlossenen Immobilienfonds

Leitsätze

1. Zum Ausschluss von Gegenrechten eines Anlegers aus einer Aufklärungspflichtverletzung des Treuhandgesellschafters einer Publikumspersonengesellschaft gegenüber dem Anspruch des Treuhandgesellschafters auf Freistellung von der Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger (im Anschluss an BGH, Urt. v. 24.07.2012 – II ZR 297/11 – WM 2012, 1664).
2. Zur Bedeutung einer persönlichen und gesellschaftsrechtlichen Verflechtung von Treuhandgesellschafter und Gesellschaftsgläubiger in solchen Fällen.

A.
Problemstellung
In einer Publikumspersonengesellschaft können sich Anleger im Rahmen eines Treuhandverhältnisses in der Weise beteiligen, dass sie als Treugeber im Innenverhältnis wie – unmittelbare – Gesellschafter gestellt werden. Die Anleger haften im Außenverhältnis nicht unmittelbar für Gesellschaftsschulden, da sie keine Gesellschafter sind (BGH, Urt. v. 22.03.2011 – II ZR 271/08). Machen Gesellschaftsgläubiger gegen den Treuhandgesellschafter Ansprüche geltend, hat dieser gegen den Anleger einen Anspruch auf Freistellung von der Inanspruchnahme durch den Gesellschaftsgläubiger. Geht der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch über, kann der Anleger als Treugeber gegen diesen Zahlungsanspruch des Treuhandgesellschafters nicht mit einem Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung gegen den Treuhandgesellschafter aufrechnen (BGH, Urt. v. 24.07.2012 – II ZR 297/11).
Der III. Zivilsenat des BGH hatte zu entscheiden, ob neben der Aufrechnung gegen den Zahlungsanspruch auch Gegenrechte gegen den Anspruch auf Freistellung ausgeschlossen sind.
B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin fungiert als Treuhandgesellschafterin eines geschlossenen Immobilienfonds, dem die A. zur teilweisen Baufinanzierung ein Darlehen gewährt hat und an dem sich der Beklagte als Treugeber mit einer Einlage von 173.800 DM zuzüglich 5% Agio im Jahr 1994 beteiligt hat. Im Emissionsprospekt waren verschiedene Verflechtungen zwischen der A., der Fondsgesellschaft und der Klägerin aufgeführt: So ist die Alleingesellschafterin der Klägerin sowohl Alleingesellschafterin der Fonds-GbR als auch der darlehensgebenden A.
Als sich die wirtschaftliche Situation der Fondsgesellschaft im Jahr 2006 verschlechtert hatte, trafen sie und die A. eine schriftliche Ablösungsvereinbarung, wonach die A. allen Gesellschaftern, die bis zum 31.10.2006 einen Ablösungsbetrag von 50% ihrer Haftungsquote der Darlehensvaluta an die A. zahlten, die vollständige Entlassung aus der persönlichen Haftung anbot. Wegen der danach noch bestehenden Darlehensforderung wurde ein Verzicht der A. auf Vollstreckungsmaßnahmen in das Gesellschaftsvermögen vereinbart. Im Jahr 2007 verkaufte die Fondsgesellschaft die Immobilien. Da der Erlös die Verbindlichkeiten nicht deckte, kündigte die A. das Baudarlehen und forderte die Klägerin zur Zahlung des auf ihre Haftungsquote entfallenden Betrages auf. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Freistellung für die Rückzahlungsforderung der A. in Höhe eines anteiligen Betrages von 15.700,67 Euro nebst Zinsen, wobei sie in der Berufungsinstanz auf einen entsprechenden Zahlungsantrag übergegangen ist.
Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie vollständig abgewiesen, weil dem klägerischen Anspruch eine Schadensersatzforderung des Beklagten wegen Aufklärungspflichtverletzungen der Klägerin gegenüberstehe mit der Folge, dass er so gestellt werden müsse, als habe er die Beteiligung nicht gezeichnet. Die Klägerin habe es versäumt darüber zu informieren, dass dem mit der Vermittlung des Eigenkapitals beauftragten Unternehmen eine 25%ige Provision zugeflossen sei.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Beklagte hafte quotal für den anteiligen Darlehensbetrag, ohne dass Leistungen anderer Gesellschafter oder Treugeber anzurechnen seien. Die Geltendmachung des Freistellungsanspruchs der Klägerin sei nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar habe die Klägerin als Treuhänderin die Interessen des Treugebers wahrzunehmen; ob dieser ihr sein Vertrauen gebe, müsse er selbst angesichts im Prospekt aufgeführter Verflechtungen selbst entscheiden.
Es sei der Klägerin trotz der gebotenen fremdnützigen Interessenwahrung nicht verwehrt, eigene Ansprüche gegen die Treugeber durchzusetzen, um nicht in Insolvenzgefahr zu geraten. Dies bedeute nicht, dass sie als Inkassostelle einer Kreditgeberin fungiere, auch wenn sie die Haftung anerkenne und auf die Verjährungseinrede verzichte, während auf ihr Vermögen nur insoweit zugegriffen werden dürfe, als ihr Freistellungsansprüche gegenüber Treugebern zustünden. Dies folge aus der Notwendigkeit, die eigene Existenzgefährdung abzuwenden für den Fall, dass sich die Treugeber ihrer Leistungsverpflichtung massenhaft entzögen. Dann müsse es ihr offen stehen, die unmittelbar drohende Inanspruchnahme durch die Darlehensgeberin so lange hinauszuzögern bis sie zur Erfüllung der Verbindlichkeit wirtschaftlich in der Lage sei.
Mit Schadensersatzansprüchen wegen einer Aufklärungspflichtverletzung könne der Beklagte nicht aufrechnen. Hier schließe sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des II. Zivilsenats (zuletzt Urt. v. 24.07.2012 – II ZR 297/11) an, der eine solche Aufrechnungsmöglichkeit verneine, wenn nach dem besonderen Inhalt des Schuldverhältnisses der Ausschluss als stillschweigend vereinbart angesehen werden müsse oder wenn die Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung ein Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lasse. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der Rechtsverfolgung der Klägerin kein kollusives Verhalten zwischen ihr und der Darlehensgeberin zugrundeliege; zudem habe sie eine Aufklärungspflicht im Vorfeld der Beteiligung des Beklagten allenfalls fahrlässig verletzt. Es müsse auch nicht zwischen „normalen“ und „bösgläubigen“ Gesellschaftsgläubigern differenziert werden, da ein relevanter Wissensvorsprung der A. gegenüber anderen Gesellschaftsgläubigern nicht ersichtlich sei. Die Verflechtungen zwischen der Klägerin und der A. änderten nichts daran, dass es sich um rechtlich eigenständige Rechtspersönlichkeiten handele, denen Pflichtverletzungen nicht gegenseitig zurechenbar seien. Schließlich könnten die mittelbaren Gesellschafter im Vergleich zu den unmittelbaren Gesellschaftern bei der Haftung nicht besser gestellt werden.
C.
Kontext der Entscheidung
Der III. Zivilsenat kennzeichnet zunächst die Haftungsgrundlagen eines in Form der Zwischenschaltung einer Treuhandgesellschaft an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligten Anlegers, der im Falle einer Inanspruchnahme der Treuhänderin durch Gesellschaftsgläubiger die Treuhänderin von dieser Verbindlichkeit gemäß den Vereinbarungen der Treuhandabrede in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag freizustellen bzw. Schadensersatz in Geld zu leisten hat bei ernsthafter und endgültiger Verweigerung des Anlegers nach den §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1, 2 BGB (zur Vereinbarung einer quotalen Haftung im Gesellschaftsvertrag sowie zur Nichtanrechenbarkeit von Verwertungserlösen vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2011 – II ZR 300/08).
Sodann befasst sich der Senat mit dem Spannungsverhältnis zwischen der treuhänderischen Aufgabe der fremdnützigen Interessenwahrnehmung durch die Treuhänderin und deren Interesse an der Vermeidung einer Insolvenz, wobei er zutreffend darauf abstellt, dass es der Treuhänderin nicht verwehrt sein darf, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Hierbei kommt der Tatsache, dass das Vorgehen der Treuhänderin gegen die die Erfüllung ihrer Leistungspflicht verweigernden Treugeber auch den Gläubigern nützt, lediglich eine Reflexwirkung zu, ohne dass die Treuhänderin dadurch zur „Inkassostelle“ wird.
Hinsichtlich der Problematik einer Aufrechnung des Treugebers mit Schadensersatzforderungen wegen Aufklärungspflichtverletzungen schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des II. Zivilsenats an, der zuletzt im Urteil vom 24.07.2012 (II ZR 297/11 Rn. 34 ff.) ausgeführt hat, der Anleger, der sich nur mittelbar beteilige, dürfe nicht besser gestellt sein als der unmittelbar Beteiligte; insbesondere dürfe er sich nicht durch Aufrechnung mit Gegenansprüchen gegenüber der Treuhänderin der mittelbaren Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern entziehen.
Der erkennende Senat setzt sich mit der Argumentation des Berufungsgerichts, das im Hinblick auf die personellen Verflechtungen eine Ergebniskorrektur für erforderlich hält, insoweit auseinander, als er ein kollusives Zusammenwirken der Klägerin mit der Darlehensgeberin verneint und damit auch die Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung, die dem Beklagten die Möglichkeit zur Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen eröffnen würde. Hier lässt er jedoch eine Auseinandersetzung mit der Problematik eines Rechtsformmissbrauches durch die wirtschaftlichen Hintermänner des Fonds vermissen, so dass restliche Zweifel daran, dass sich durch die formale Aufteilung in rechtlich selbstständige Gesellschaften der Weg eröffnet, zwar durch die Haftung der Treugeber wegen der gewährten Finanzierung schadlos zu bleiben, jedoch sich keine Schadensersatzansprüche wegen Aufklärungspflichtverletzungen entgegenhalten lassen zu müssen, nicht völlig befriedigend beseitigen lassen. Insoweit überzeugt auch der Hinweis, der Anleger müsse sich die Entscheidung für seine Investition im Hinblick auf offengelegte Verflechtungen überlegen, nicht: Denn der durchschnittliche Anleger ist als juristischer und wirtschaftlicher Laie nicht in der Lage, die Konsequenzen der Verflechtung, wie sie sich im Falle des wirtschaftlichen Scheiterns des Fonds vorliegend ergeben haben, im Vorfeld einzuschätzen.
D.
Auswirkungen für die Praxis
Mit dem Ausschluss von Gegenrechten sichert und stärkt der BGH den Gläubigerschutz bei geschlossenen Immobilienfonds (ebenso am selben Tag: BGH, Urt. v. 18.10.2012 – III ZR 279/11). Bei einem Konzept wie dem streitgegenständlichen, bei dem sowohl die Fondsinitiative, Treuhand und Finanzierung wirtschaftlich in einer Hand liegen, kommt den Gläubigern die rein formelle und rechtliche Selbstständigkeit der Gesellschaften zugute. Hier eröffnet der BGH einen Weg zur Risikoreduzierung für die Initiatoren, begrenzt aber andererseits die Möglichkeiten des Anlegers, sich im Falle eines wirtschaftlichen Scheiterns des Fonds einer Haftung zu entziehen. Dies erklärt sich aus der Interessenlage der Beteiligten, wonach dem Treugeber aus seiner nur indirekten Beteiligung kein Vorteil entstehen soll.
Eine Direkthaftung des Anlegers wird zwar im Außenverhältnis vermieden, dennoch ist auf indirektem Wege über den Freistellungsanspruch ein Zugriff des Gläubigers auf die mittelbaren Anleger möglich. Im Ergebnis zeigt sich die höchstrichterliche Rechtsprechung wenig anlegerfreundlich. Weder Tilgungsleistungen aus dem Gesellschaftsvermögen noch der bei der Zwangsverwertung des Fondsvermögens erzielte Erlös mindern ohne eine ausdrückliche Anrechnungsvereinbarung die quotale Haftung. Dadurch verlagert sich das wirtschaftliche Risiko vom Darlehensgeber auf die solventen Gesellschafter.
Jedes Gegenrecht, das auf Einwendungen gegen den Treuhandgesellschafter gestützt wird (z.B. Zurückbehaltungsrecht oder „dolo-agit-Einrede“), ist ausgeschlossen, auch Aufrechnung gegenüber einem Zahlungsanspruch.
Kann der Fonds wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten ein Bankdarlehen, das er zur Finanzierung der Fondsimmobilie aufgenommen hat, nicht mehr bedienen, greift grundsätzlich die persönliche gesamtschuldnerische Haftung nach § 128 HGB (analog) ein. Dem Anleger kann nur empfohlen werden, sich vor Zeichnung einer solchen Anlage nicht von den Verkaufsprospekten und Empfehlungen der „Fondsverkäufer“ blenden zu lassen, sondern den Rat eines wirtschaftsrechtlich spezialisierten Fachmannes über die Haftungsrisiken der Fondsbeteiligung einzuholen.
Anmerkung zu: BGH 3. Zivilsenat, Urteil vom 18.10.2012 – III ZR 150/11
Autor: Dr. Herbert Geisler, RA BGH
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