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Mobbing am Arbeitsplatz: Wenn der Anwalt des Chefs im Gerichtssaal weitermacht

Der Anwalt als Mittäter

Mobbing am Arbeitsplatz ist eine zermürbende Erfahrung, die Betroffene systematisch ausgrenzt und herabwürdigt. Doch was passiert, wenn diese Schikane selbst nach Einreichung einer Klage nicht aufhört, sondern von den Anwälten des Arbeitgebers im Gerichtssaal fortgesetzt wird? Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (Az. 17 Sa 8926/22) beleuchtet einen solchen Fall und zeigt, wie Gerichte auch das prozessuale Verhalten der Arbeitgeberseite als Teil der Persönlichkeitsrechtsverletzung werten.


Eskalation am Arbeitsplatz: Die Chronik der Schikane

Im verhandelten Fall klagte eine qualifizierte Fachärztin gegen ihren Arbeitgeber, ein Klinikum, wegen systematischer Schikane durch ihren Chefarzt. Das Gericht stellte eine ganze Reihe von Mobbing-Handlungen fest, die ein klares Muster der Ausgrenzung und Demütigung zeigten:

  • Systematischer Entzug von Aufgaben: Der Ärztin wurden schrittweise ihre Kernaufgaben entzogen, bis sie schließlich vollständig vom OP-Plan gestrichen wurde.
  • Soziale Isolation: Sie wurde gezielt von Patientenübergaben, Visiten und Sprechstunden ausgeschlossen.
  • Öffentliche Demütigungen: Mehrfach wurde sie während laufender Operationen aus dem Saal geschickt. Ihr wurde außerdem kurzfristig ihr Büro genommen, und externen Auditoren wurde mitgeteilt, man plane die Zukunft ohne sie im Team.
  • Persönliche Herabwürdigungen: Zynische „Ratschläge“ des Chefarztes, sie solle einen Kunstkurs besuchen oder an Brot „Operationstechniken üben“, dienten allein der persönlichen Kränkung.

Die zweite Front: Mobbing durch den Anwalt im Prozess

Besonders brisant wurde der Fall, als die Anwälte des Arbeitgebers im Gerichtsverfahren die Taktik der persönlichen Angriffe übernahmen. Anstatt sich sachlich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen, versuchten sie, die Klägerin als Person zu diskreditieren. Das Gericht verurteilte dieses Vorgehen scharf und stellte fest, dass die Argumentation der Beklagten „diskriminierende Anteile“ enthielt.

Zu diesen Grenzüberschreitungen zählten:

  • Angriffe auf die Herkunft: Es wurden Anspielungen auf die ethnische Herkunft und angebliche sprachliche Schwierigkeiten der Klägerin gemacht.
  • Unterstellung von Krankheiten: Die Anwälte brachten ohne Grundlage eine „mutmaßliche Schwerbehinderung“ sowie eine „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ ins Spiel und griffen tief in die Privatsphäre der Klägerin ein, indem sie auf ihren „familiären Hintergrund“ verwiesen.

Das Gericht wertete diese Vorgehensweise als Fortsetzung der Schikane mit anderen Mitteln und bezog sie strafverschärfend in die Bemessung des Schmerzensgeldes mit ein.


Das Urteil: Ein klarer Verstoß gegen das rechtliche Gehör

Das Gericht verurteilte das Klinikum zwar zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000 Euro, lehnte jedoch weitergehende Schadensersatzansprüche für die gesundheitlichen Folgen des Mobbings ab.

Diese Abweisung ist juristisch höchst problematisch. Das Gericht begründete sie damit, die Klägerin habe den Zusammenhang zwischen dem Mobbing und ihren Krankheiten nicht detailliert genug dargelegt (fehlende „Darlegungslast“). Diese Anforderungen sind jedoch klar überzogen. Mit der Vorlage eines ärztlichen Attestes und der Benennung ihres Arztes als Zeugen sowie dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens hat die Klägerin ihrer Darlegungslast vollauf Genüge getan. Es ist gerade die Aufgabe eines Sachverständigen, den komplexen medizinischen Zusammenhang zwischen den Schikanen und den gesundheitlichen Folgen fachkundig zu bewerten.

Die Weigerung des Gerichts, diese Beweise zu erheben, stellt einen eklatanten Verstoß gegen den grundgesetzlich abgesicherten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dar. Einem Opfer kann nicht zugemutet werden, medizinische Kausalitäten wie ein Gutachter darzulegen.


Ihr Recht bei Mobbing

Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, sich gegen Mobbing zur Wehr zu setzen – auch wenn der Weg steinig sein kann und Gerichte mitunter fragwürdige prozessuale Hürden aufbauen. Umso wichtiger ist es, einen erfahrenen Anwalt an Ihrer Seite zu haben, der die Taktiken der Gegenseite kennt und Ihre Rechte konsequent verteidigt.

Rechtsanwalt Bernhard von Boehn ist auf die Durchsetzung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen infolge von Mobbing am Arbeitsplatz spezialisiert. Nach jahrelangem Mobbing verhilft er Ihnen zu Ihrem Recht und setzt Ihre Ansprüche konsequent durch.