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Schadensersatzrecht: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Entschädigung für Fußballfans nach Polizeigewalt bei Münchner Derby

Der EGMR hat Deutschland wegen einer unzureichenden Untersuchung von Zusammenstößen zwischen Polizisten und Münchner Fußballfans verurteilt und den beiden klagenden Fans eine Entschädigung von jeweils 2.000 Euro zugesprochen.

In dem Fall ging es um mutmaßliche Polizeiübergriffe gegen Fußballfans nach einem Spiel in München am 09.12.2007 sowie um den Vorwurf der Beschwerdeführer, die beide als Zuschauer an dem Spiel teilnahmen, dass die Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Übergriffe gegen sie nicht sorgfältig geführt worden seien.

Da die Polizei für das Fußballspiel mit einem erhöhten Risiko von Ausschreitungen rechnete, waren über 200 Polizeibeamte im Einsatz. Nach Ende des Spiels bildeten Beamte eine Kette, um einen Teil der Zuschauer vorübergehend am Verlassen eines Stadionbereichs zu hindern und so Auseinandersetzungen rivalisierender Fans zu verhindern. Nach Angaben eines der Beschwerdeführer kam es nach der Öffnung der Polizeisperre zu Übergriffen der Polizei gegen Zuschauer. Er selbst sei von einem Polizisten mit einem Schlagstock auf den Kopf geschlagen worden und habe eine Platzwunde erlitten, die eine notärztliche Behandlung erfordert habe. Der zweite Beschwerdeführer gibt an, dass ein Polizist ihm Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht habe; später sei er außerdem mit einem Schlagstock auf den Arm geschlagen worden. Nach Medienberichten über den Polizeieinsatz wurde ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Beide Beschwerdeführer erstatteten Strafanzeige gegen die verantwortlichen Polizeibeamten, ohne genaue Angaben zur Identität der Verantwortlichen zu machen, da die an dem Einsatz beteiligten Beamten Schutzhelme mit Visier sowie Uniformen ohne Namensschilder oder sichtbare Identifikationsnummern getragen hatten. Das Verfahren wurde im September 2008 eingestellt, die Ermittlungen aber nach Beschwerde der Beschwerdeführer wieder aufgenommen. Im August 2009 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren erneut ein, mit der Begründung, der Sachverhalt habe nicht weiter aufgeklärt werden können. Zudem kam die Staatsanwaltschaft aufgrund der Ermittlungen zu der Einschätzung, die Aggression sei nicht von den Polizeibeamten, sondern von einzelnen Fangruppen ausgegangen. Der Antrag der Beschwerdeführer auf gerichtliche Anordnung der Wiederaufnahme der Ermittlungen wurde abgewiesen und ihre Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Vor dem EGMR machten die Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung von Art. 3 (Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geltend, sowohl aufgrund der behaupteten Gewaltanwendung durch die Polizei als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht, aufgrund der Untersuchung durch die Ermittlungsbehörden, die unzureichend gewesen sei.

Der EGMR hat einstimmig entschieden, dass keine Verletzung von Art. 3 EMRK aufgrund der behaupteten Gewaltanwendung durch die Polizei vorliegt. Zugleich hat er, ebenfalls einstimmig, eine Verletzung von Art. 3 EMRK in verfahrensrechtlicher Hinsicht, aufgrund der Untersuchung durch die Ermittlungsbehörden, festgestellt. Der EGMR hat den beiden Fußballfans eine Entschädigung von jeweils 2.000 Euro und die Erstattung der Kosten i.H.v. 6.575,41 Euro zugesprochen.

Erscheinungsdatum: 09.11.2017
Entscheidungsdatum: 09.11.2017
Aktenzeichen: 47274/15

Quelle: Pressemitteilung des EGMR v. 09.11.2017