Zum Inhalt springen

Überprüfung rückwirkend befristeter Leistungsanerkenntnisse in der Berufsunfähigkeitsversicherung bis 2014

Problematik

Sie waren in der Vergangenheit berufsunfähig und haben eine Leistung von ihrem Versicherer erhalten. Möglicherweise sind sie Opfer der desaströsen Regulierungspraxis der Berufsunfähigkeitsversicherer geworden. Zudem wurde die Leistung rückwirkend befristet. Diese rückwirkend befristeten Anerkenntnisse sind grundsätzlich rechtswidrig. Die Praxis sieht folgendermaßen aus:

Der Berufsunfähigkeitsversicherer beginnt auf ihren Antrag hin die sog. Leistungsprüfung bzw. Erstprüfung. Damit wird die Prüfung des Versicherers bezeichnet, ob der Versicherungsfall eingetreten ist und die Leistungspflicht besteht. Der Versicherer hat die „notwendigen Erhebungen“ i.S.d. § 14 Abs. 1 VVG vorzunehmen. Die Leistungsprüfung endet mit dem Anerkenntnis (§ 173 VVG) oder der Ablehnung des Anspruchs. Nach dieser Vorschrift soll das innerhalb eines Monats erfolgen.

Das Verfahren es für den Versicherer natürlich besonders kompliziert. Er hatte standardisiert. Nach Antrag schickte ihn einen Antragsbogen zu, der so kompliziert es, dass bereits in diesem Zustand der eine oder andere Versicherungsnehmer die Flinte ins Korn wird. Hatte denn nach einiger Zeit den Fragebogen ausgefüllt, da die Versicherung sicherlich noch nachfragen. Mit dem Fragebogen erteilen Sie eine umfassende Schweigepflicht Entbindungserklärung, die es der Versicherung ermöglicht, alle medizinischen Unterlagen anzufordern. Der Versicherer prüf nämlich auch, ob möglicherweise bei Antragstellung eine Erkrankung verschwiegen wurde. Wenn Sie diese umfassende Schweigepflichtentbindungserklärung unterschreiben, liefern Sie sich möglicherweise selbst ans Messer. Denn der Versicherer fordert nicht nur die notwendigen Auskünfte bei den behandelnden Ärzten an sondern auch noch eine Leistungsübersicht bei ihrer Krankenkasse. Das verzögert die Regulierung, auch wenn sie keine Krankheit verschwiegen haben.

Ergeben die ärztlichen Auskünfte, dass sie berufsunfähig sind, gibt sich die Versicherung damit nicht zufrieden. Sie holt ein Gutachten ein. Und das dauert. Dabei greift sie auf ihre Vertrauensgutachter zurück, von denen sie weiß, dass sie den Anspruch besonders kritisch prüfen.

In der Zwischenzeit ist Ihnen das Geld ausgegangen und sie müssen nunmehr Raubbau an ihrer Gesundheit betreiben und wieder halbtags arbeiten. Das ist genau der Zeitpunkt auf den die Versicherung gewartet hat. Sie erkennt die Leistung befristet bis zu der Arbeitsaufnahme an. Die Befristung wird auf damit begründet, dass nunmehr eine Besserung eingetreten ist und sie 50 % ihrer beruflichen Tätigkeit ausüben können. Deshalb liege keine Berufsunfähigkeit mehr vor. Diese Erklärung wird regelmäßig rückwirkend abgegeben, schließlich soll sichergestellt werden, dass sie in ihrem Beruf auch tätig bleiben.

Unterstellt man den während der Leistungsprüfung eingetretenen bzw. festgestellten Wegfall der Berufsunfähigkeit, haben sich zwei Möglichkeiten der Befristung in der Praxis herausgebildet:

  • einerseits eine sog. Uno-actu-Entscheidung, d.h. die Verbindung eines rückwirkenden Anerkenntnisses mit einer Leistungseinstellung durch eine Nachprüfungsentscheidung im Sinne der Versicherungsbedingungen und § 174 VVG „in einem Akt“,
  • andererseits ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis auf der Grundlage von § 173 Abs. 2 VVG.

Der praxisrelevante Unterschied liegt vor allem in der (prozessualen) Darlegungs- und Beweislast im Streitfall: Während beim rückwirkend befristeten Anerkenntnis der Versicherungsnehmer für Zeiträume, die über die Befristung hinausgehen, darlegen und beweisen muss, dass er immer noch berufsunfähig ist, obliegt dem Versicherer bei der Uno-actu-Entscheidung im Rahmen der dortigen Nachprüfung nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegung und der Beweis dafür, dass eine Berufsunfähigkeit nicht mehr besteht. An die Uno-actu-Entscheidung hat der BGH hohe der formellen Anforderungen gestellt, sie ist deutlich schwieriger umzusetzen ist und deshalb auch mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis.

Manche Versicherer haben zwar ohnehin in den AVB auf befristete Anerkenntnisse verzichtet oder wegen der Rechtsunsicherheit erzeugenden Diskussion in Rechtsprechung und Literatur (dazu unten) bereits durchgängig auf Uno-actu-Entscheidungen „umgestellt“, andere haben das rückwirkend befristete Anerkenntnis jedoch durchaus aktiv genutzt.

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 23.2.20221 gegen die Zulässigkeit eines rückwirkend befristeten Anerkenntnisses ausgesprochen und dies mit seiner Entscheidung vom 31.8.20222 bekräftigt und die Argumentation vertieft. Beide Entscheidungen sind hier bereits besprochen worden. Es soll deshalb nur zusammen fassen festgestellt werden: der BGH die rückwirkende Befristung für unwirksam erklärt. Damit hat er sich gegen die von Obergerichten überwiegend vertretene gegenteilige Meinung ausgesprochen. Die Entscheidungen ermöglichen es aber Ihnen, die rückwirkend befristeten Leistungsanerkenntnis noch einmal überprüfen zu lassen. Dabei besteht ein grundlegender Unterschied, ob die Berufsunfähigkeitsversicherung vor oder nach dem 1. Januar 2008 abgeschlossen wurde. Das ist das Datum des Inkrafttreten des neuen Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Die oben zitierten Vorschriften sind nach den Übergangsregelungen auf „Altverträge „nicht anwendbar.

Von hier wird die Rechtsansicht vertreten, dass das innerhalb der Grenzen der maximalen Verjährungsfrist von zehn Jahren möglich ist. Diese Möglichkeit besteht nach hiesiger Ansicht bis zum Ende des Jahres 2025. Rechtsanwalt von Boehn wird eine kostenlose Vorprüfung ihres rückwirkend befristeten Leistungsanerkenntnis vornehmen und Sie beraten, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, eine Abänderung der Entscheidung herbeizuführen.