Das Amtsgericht hatte einen Fall zu entscheiden, der in der Presse Wellen geschlagen hatte, weil der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 68 % überschritten hatte. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass Vorsatz anzunehmen ist, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 50 % überschritten wird. Es also nicht zu verstehen, was an dieser Entscheidung besonders ist. Das Besondere ergibt sich aber aus der Verurteilung zum Vorsatz. Denn der Betroffene selbst war in der Hauptverhandlung nicht anwesend, sein Verteidiger fehlte unentschuldigt. Diese Konstellation hat das Amtsgericht ausgenutzt, um das Bußgeld auf 69 € zu verdoppeln unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen Handlung. Das ist möglich, wenn ihm zuvor ein rechtlicher Hinweis erteilt wurde. Das Gericht hatte auch einen Hinweis erteilt in der Ladung. Es führt im 2. Leitsatz aus:
Wenn der Betroffene und der Verteidiger vor der Hauptverhandlung mit der Terminsladung einen rechtlichen Hinweis dahingehend erhalten, dass im Rahmen einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch eine Verurteilung wegen Vorsatzes in Betracht kommt, kann in der Hauptverhandlung in Abwesenheit ohne weiteres eine Verurteilung wegen Vorsatzes erfolgen, wenn der Betroffene entschuldigt und der Verteidiger unentschuldigt fehlen.
Nach Ansicht des Unterzeichners ist nicht sichergestellt, dass der Betroffene tatsächlich von dem richterlichen Hinweis Kenntnis erhalten hat. Die Zustellung der Ladung erfolgt durch Zustellungsurkunde. Damit ist klar, dass der Betroffene die Ladung erhalten hat. Es ist aber nicht sichergestellt, dass er die Belehrung auch zur Kenntnis genommen hat. Nach hiesiger Ansicht hatte die Belehrung in der Hauptverhandlung wiederholt werden müssen. Dann hatte der Betroffene die Gelegenheit gab, den Einspruch zurückzunehmen und wäre nur zu einem Bußgeld von 480 € verurteilt worden. Die vorsätzliche Begehung kann auch dazu führen, dass der Rechtsschutz entfällt. Dann kämen noch erhebliche Mehrkosten auf den Betroffenen hinzu. Gegen diese Entscheidung hatte der Verteidiger Rechtsbeschwerde einlegen müssen. Hier liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, das Grundgesetz sich geschützt ist. Sie Entscheidung zeigt, wie leichtfertig ein Amtsgericht mit den Grundrechten umgeht. Sichtlich hat sich nur der hochgeschätzte Kollege Burhoff kritisch zu diesem Urteil geäußert.
AG Castrop-Rauxel, Urt. v. 26.08.2022 – 6 OWi-264 Js 1170/22-486/22