Ein besonderer Fall des „Werkstattrisikos“. Nach der herrschenden Meinung und der Rechtsprechung des BGH es trägt das Werkstattrisiko der Schädiger. Er muss nur die Werkstatt sorgfältig aussuchen, ungerechtfertigte Mehrkosten keine dann ersetzt verlangen. Im konkreten Fall hatte der Geschädigte sein Fahrzeug seiner Vertragswerkstatt übergeben, die ein Gutachten beauftragte. Von den knapp 3900 € Reparaturkosten zahlte die Versicherung des Schädigers 90 € nicht. Ein ganz typisches Verhalten der Haftpflichtversicherer, Kleinstbeträge nicht auszugleichen in der berechtigten Annahme, der Geschädigte werde schon nicht klagen. Das kann man einem Geschädigten ohne Rechtsschutzversicherung auch nur empfehlen. Das Kostenrisiko beträgt mehrere 1000 €, einen Sachverständigen einschalten zu müssen. Im zugrunde liegenden Fall hat die Versicherung aber wohl nur eingewendet, dass der Grundsatz, dass der Geschädigte das Werkstatt- und Prognoserisiko zu tragen habe, nicht Anwendung findet, weil die Rechnung in Höhe von ca. 90 € nicht gezahlt wurde. Das ist gerade das interessante an dieser Entscheidung. Der BGH hat nämlich gesagt, wenn die Rechnung nicht beglichen wird, musste geschädigt im einzelnen darlegen und beweisen, dass das ein Schaden in der beanspruchten Höhe vorliegt. Nur wenn die Rechnung bezahlt ist muss er das nicht. Hier hat der Geschädigte einen kleinen Teilbetrag nicht bezahlt. Wie ist damit umzugehen? Muss er im einzelnen beweisen, dass diese Höhe gerechtfertigt ist – in einer möglichen Beweisaufnahme durch gerichtliches Gutachten – oder kann man diesen Betrag so behandeln, als wäre die gesamte Rechnung bezahlt worden. Der BGH hat einen solchen Fall noch nicht entschieden. Das Amtsgericht München meint nun, nicht bezahlte Teil der Rechnung falle unter das sogenannte Werkstattrisiko. Aus dem Grund müsse die Beklagte Versicherung den Betrag auch bezahlen.
Ob die Argumentation tragfähig ist, kann dahinstehen. Lebensnah ist sie in jedem Fall, der eine Beweisaufnahme vermieden wird. Es wäre begrüßenswert, wenn die Rechtsprechung sich durchsetzen würde. Möglicherweise handelt sich hierbei um eine konkrete Abrechnung, der Kläger hätte also nur Freistellung von einer Verbindlichkeit beantragen können, da die Rechnung nicht vollständig bezahlt wurde. Hätte das Gericht auf einen entsprechenden Antrag hingewirkt, dann hätte sich über keine Problematik ergeben.
AG München, Urteil vom 19. Juli 2022 – 335 C 15046