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Verkehrsrecht: BGH: Keine 50% Haftungsquote bei Kollision von Spurwechsler mit anfahrendem Kfz

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt mit seinem Fahrzeug vom ruhenden in den fließenden Verkehr eingefahren und dabei mit dem Kfz des Unfallgegners zusammengestoßen. Dieser hatte zum Zeitpunkt der Kollision nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes ein Fahrstreifenwechsel vom linken auf den rechten Fahrstreifen
zu mehr als der Hälfte abgeschlossen und war dann mit dem anfahrenden Kfz des Klägers kollidiert. Der Tatrichter in der I. und II. Instanz hatte jeweils eine Haftungsquote von 50 % wegen beiderseitiger Verstöße gegen die StVO angenommen.

Der BGH die Entscheidung aufgehoben. Er hat ausgeführt, dass auch der Fahrspurwechsel dem Schutz des Paragrafen 10 StVO pro Unterfeld, wonach der fließende Verkehr Vorrang vor dem einfahrenden Verkehr hat.

Der Fahrzeugführer im fließenden Verkehr dürfe vielmehr grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein Vorrangrecht über die gesamte Fahrbahnbreite gewahrt wird. Erst dann, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese Vorrangregelung nicht mehr beachtet wird, müsste er auf andere wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer reagieren und versuchen, die Kollision unter Berücksichtigung des Rücksichtnahmegebots des § 1 Abs. 2 StVO zu vermeiden. Ob dies vorliegend der Fall gewesen ist, hätte das Berufungsgericht allerdings nicht mit der gebotenen Sorgfalt geprüft
und der BGH hat damit letztendlich die Entscheidung des Tatgerichtes aufgehoben und an die Berufungsinstanz zurückverwiesen, damit dieses Gericht ergänzende Feststellungen zum Unfallhergang treffen kann.

Nachzulesen auf der Seite des Bundesgerichtshofs www.juris.bundesgerichtshof.de unter den Link

BGH, Urt. V. 8.3.2022 – VI ZR 1308/20