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Verkehrsrecht: BGH: Kopf- und Nackenschmerzen mit psychische Auswirkungen nach Auffahrunfall

Der BGH hat einen typischen Verkehrsunfall zur Entscheidung vorliegen. Es ging um die Frage, ob Klägerin ein Schmerzensgeld zusteht. Sie hatte nach dem Verkehrsunfall psychisch bedingte Kopf und Nackenschmerzen. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Dabei bedienen sie sich einer Argumentation, die von der Versicherungswirtschaft propagiert wird, aber Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 1996 geflissentlich übersieht. Die Argumentation geht etwa so: Wie interdisziplinären Begutachtungen unter Forschung ausführen, handelt es sich bei einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von bis zu km/h um eine niedrig-energetisch einzustufende biomechanische Einwirkung, die eine Verletzung der HWS sehr wahrscheinlich nicht hervorruft. Ist das eine gängige Praxis. Die Gerichte müssen einen entsprechenden Beweisantrag der Versicherer nachgehen. Es wird ein interdisziplinäres Gutachten angefordert. Das Gutachterteam besteht in der Regel aus einem Kraftfahrzeugsachverständigen, zum Beispiel ein Kfz-Meister, und einem Orthopäden. Das Ergebnis ist vorhersehbar. Bei nur einer geringen Geschwindigkeitsänderung kommt es nicht zu einer Verletzung der HWS. Das hatten und Versuchsreihen mit Jugendlichen gezeigt, die Autoscooter gefahren sind. Dieser Quatsch wird dann auch noch teuer bezahlt. Die Kläger haben das auch nie vorgetragen. Es ist unstreitig, dass sie HWS Knöcheln nicht verletzt wurde. Dann kommt der Anruf von der Kammer des Landgerichts mit der Frage: Wollen Sie die Klage nicht zurücknehmen? Nein, ich möchte ein psychiatrisches Gutachten, denn es ist ständige Rechtsprechung des BGH, dass der Schädiger auch für psychische Folgen des Unfalls haftet. Abzugrenzen ist nur eine Haftung von sogenannten Begehrensneurose, die mit dem Unfall aber auch gar nichts zu tun haben.

Nun meinte das Landgericht Bielefeld, es sei mal wieder an der Zeit, den BGH zu überzeugen, dass seine Rechtsprechung zur Haftung für psychische Folgen eines Unfalls Unsinn sei. Das Landgericht hat ausgeführt, dass für psychische Reaktionen anlässlich eines Unfalls, die ihre Ursache in dem Vorleben des Geschädigten haben, keine Haftung begründen. In diesem Fall hatte sich unmittelbar nach dem Unfall die Klägerin an den Tod ihrer Freundin erinnert und einander Situation, wo sie Ersthelferin war bei einem Verkehrsunfall war. Zwei der Verkehrsteilnehmer starben. Diese Erinnerung führte dazu, dass sie in der Folgezeit an Spannungschmerzen an der HWS und Spannungskopfschmerzen litt. Der BGH hat das Urteil aufgehoben und in einem Leitsatzleitsatz ausgeführt:

Der Verursacher eines Verkehrsunfalls kann grundsätzlich auch für psychische Auswirkungen einer Verletzungshandlung haftungsrechtlich einzustehen haben. Die Schadensersatzpflicht für Beeinträchtigungen der körperlichen Befindlichkeit setzt nicht voraus, dass sie eine organische Ursache haben. Auch eine nur psychisch vermittelte Körperverletzung ist dem verantwortlichen Schädiger grundsätzlich zuzurechnen (Fortführung BGH, Urteil vom 30. April 1996 – VI ZR 55/95). Es entlastet den Schädiger grundsätzlich nicht, wenn der Geschädigte durch frühere Unfälle in seiner seelischen Widerstandskraft soweit vorgeschädigt war, dass nur noch ein geringfügiger Anlass genügte, um psychische Fehlreaktionen auszulösen. 

Nachzulesen auf der Seite des BGH

BGH, Urteil vom 26. Juli 2022 – VI ZR 58/21