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Verkehrsrecht: KG Berlin: Absehens vom Fahrverbots beim Rotlichtverstoß

In der Rechtsprechung hat sich der Begriff des „atypischen Rotlichtverstoß“ entwickelt. Er ist allgemein anerkannt und unbestritten. Das KG Berlin hat nun in seiner Entscheidung von 21.04.2022 gelegentlich die Voraussetzungen klar zusammenzufassen:

Von der Anordnung eines Fahrverbots beim Rotlichtverstoß kann abgesehen werden, wenn ein atypischer Fall vorliegt, bei dem der Erfolgsunwert verringert ist, insbesondere wenn jede konkrete Gefährdung ausgeschlossen gewesen ist oder eine Verkehrssituation vorliegt, welche die Unaufmerksamkeit des Betroffenen und seine Sorgfaltswidrigkeit im Sinne eines so genannten Augenblicksversagens in einem signifikant milderen Licht erscheinen lassen könnten.

Zunächst legt das KG die Voraussetzungen für das Fahrverbot da:

Nach der auch von den Gerichten zu beachtenden Vorbewertung des Verordnungsgebers in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV ist eine grobe Pflichtverletzung im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG bei der hier vorliegenden Verkehrsordnungswidrigkeit bereits indiziert, die zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig zur Anordnung eines Fahrverbotes als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme Anlass gibt. Das soll die Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen sicher stellen.

Ein Absehen von der Anordnung eines Fahrverbotes kommt nur in ganz besonderen Ausnahmefällen in Betracht; namentlich, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen so erheblich von dem Regelfall abweicht, an den der Gesetzgeber gedacht hat, dass er als Ausnahme zu werten ist, so dass auf ihn die Regelbeispieltechnik des Bußgeldkataloges nicht mehr zutrifft, oder wenn die
Maßnahme für den Betroffenen eine außergewöhnliche Härte darstellt. Die außergewöhnliche Härte hat mit dem Rotlichtverstoß nichts zu tun, sie kann vorliegen, wenn der Betroffene unbeabsichtigt in seiner Existenz gefährdet wird. Ein Fahrverbot soll ein merklicher Denkzettel sein, nicht den Betroffenen ruinieren.

Ein Atypischen Fall des Rotlichtverstoßes kann angenommen werden wenn, jede konkrete Gefährdung ausgeschlossen ist. Weiter muss eine Verkehrssituation vorliegen, welche die Unaufmerksamkeit des Betroffenen und seine Sorgfaltswidrigkeit im Sinne eines so genannten Augenblicksversagens in einem signifikant milderen Licht erscheinen lassen können, z.B bei einem „Frühstart nach langer Ampelphase oder dem „Mitzieheffekt“.

Nach Ansicht des KG ist das nicht der Fall, wenn ein ortskundiger Taxifahrer an einer Linksabbieger Ampel einfach bei Rot ohne Anzuhalten das Rotlicht überfährt.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 21.04.2022 – 3 Ws (B) 64/22, 3 Ws (B) 64/22 – 162 Ss 21/22