Zum Inhalt springen

Verkehrsrecht: OLG Celle PTBS zum 2.

Wie das OLG München in seiner Entscheidung 10 U 546/21 kommt nun auch das OLG Celle zu dem selben Ergebnis, dass eine PTBS nicht vorliegt, da das psychiatrische Gutachten fehlerhaft eine posttraumatische Belastungsstörung annimmt. Es ist zu vermuten dass das Oberlandesgericht Celle in seiner Entscheidung vom 15. Juni 2022 die Entscheidung des Oberlandesgerichts München kannte. Leitsätze des OLG lauten wie folgt:

1. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten ist zum Nachweis einer posttraumatischen Belastungsstörung nur geeignet, wenn es wissenschaftlichen Standards genügt, insbesondere nach der anerkannten medizinischen Definition eines posttraumatischen Belastungssyndroms (ICD10: F43.1) darlegt, dass dessen medizinische Voraussetzungen vorliegen.

Das OLG führt weiter aus: Die Klägerin wartete mit ihrem Pkw an einer roten Ampel, als ein bei der Beklagten versicherter Pkw von hinten auffuhr. Das Fahrzeug der Klägerin wurde auf ein davor wartendes Fahrzeug aufgeschoben und beschädigt. …Die Klägerin wurde nach dem Unfall im Krankenhaus behandelt, wo eine HWS-Distorsion diagnostiziert wurde. Die Klägerin beklagte dort Nacken- sowie Kopfschmerzen und leichte Übelkeit. Äußere Verletzungsanzeichen konnten nicht festgestellt werden. Am Folgetag suchte sie ihre Hausärztin auf, die u. a. eine posttraumatische Belastungsstörung, einen Tinnitus und eine HWS-Distorsion diagnostizierte,…Im Jahr 2016 schlossen sich diverse Arztbesuche der Klägerin sowie eine Rehabilitationsbehandlung vom 28.09. bis zum 02.11.2016 an, in der u. a. ein beidseitiger Tinnitus und eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert wurden (Bl. 5 ff. d. A.). Im Jahr 2017 kam es zu weiteren Behandlungen (Bl. 9 ff. d. A.). Bis zum 26.07.2017 erhielt die Klägerin Krankengeld und bezog bis zum 28.02.2018 Arbeitslosengeld. Seit dem 01.03.2018 bezieht sie Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Klägerin behauptet, durch den Unfall Verletzungen erlitten zu haben, die zu einer Erwerbsunfähigkeit und Erwerbsminderungsschäden geführt hätten, was insbesondere auf einer psychischen Vorbelastung beruhe (Bl. 12-19 d. A.). Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte ihr neben einem angemessenen Schmerzensgeld (Bl. 19 ff. d. A.) Ersatz von Erwerbsausfall (Bl. 21 ff. d. A.), vermehrten Bedürfnissen (1.984,78 € Fahrt- und Behandlungskosten) sowie Rechtsanwaltskosten und Zinsen schulde.

Insgesamt ging es um ca. 230.000 €.

Das OLG Celle werden aus: Nach Auffassung des Senats dürfte aber auch für die akute Belastungsreaktion selbst eine gewisse Mindestintensität des Unfalls zu fordern sein, sodass es zweckmäßig erscheint, zunächst ein unfallanalytisches Rekonstruktionsgutachten mit anschließender medizinischer Bewertung einzuholen. Aufzuklären wäre somit, ob der Unfall völlig geringfügig wäre („leichter Schubs“). Eine Haftung für Unfallfolgen, die sich ohne organische Primärverletzung allein aufgrund des Unfallerlebnisses und infolge psychisch vermittelter Kausalität entwickeln, setzt ein Ereignis von hinreichender Schwere und Intensität voraus (Senat, Urteil vom 20. Januar 2010 – 14 U 126/09, Rn. 59, juris; OLG Hamm, Urteil vom 30. Oktober 2000 – 6 U 61/00, Rn. 24, juris; vgl. BGH, NJW 1986, 777, 779, beck-online).

Anzumerken ist, dass eine akute Belastungsreaktion Voraussetzung für eine posttraumatische Belastungsstörung ist. Eine posttraumatische Belastungsstörung ist sozusagen eine chronifizierte (akute) Belastungsreaktion.