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Verkehrsrecht: OLG München 40% Mitverschulden wegen Fahrens ohne Gurt

Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche auf materiellen und immateriellen Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 08.01.2005 gegen 11:30 Uhr auf der B 85 gelten. Bei dem Unfall erlitt er schwerste Verletzung und ist dauerhaft zu 35 % erwerbsgemindert. Die beklagte Versicherung regulierten den Schaden äußerst zögerlich. In einem Grundurteil hat das Landgericht Deggendorf zunächst die Quote festgelegten Beweis über die Frage erhoben, welche Unfallschäden der Kläger nicht erlitten hatte, wenn er angeschnallt gewesen wäre. Es hat dem Kläger dann ein Schmerzensgeld von 15.000 € zugesprochen.

Gegen das Urteil aus Oktober 2013 hat der Kläger Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht München hat dann am 19. Januar 2022 die folgenden Leitsätze veröffentlicht:

1. Hat der Geschädigte bestimmte Verletzung bei einem Verkehrsunfall nur deshalb erlitten, weil er entgegen § 21a Abs. 1 Satz 1 StVO nicht angeschnallt war, so darf das darin liegende Mitverschulden nicht in der Weise berücksichtigt werden, dass bei der Bewertung der Schadensersatzansprüche sämtliche Verletzungen außer Betracht gelassen werden, die der Geschädigte nicht erlitten hätte, wenn er zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen wäre; denn auch insoweit ist er durch die rechtswidrige Tat des Schädigers verletzt worden.

2. Vielmehr sind richtigerweise zunächst sämtliche unfallbedingten Verletzungen des Geschädigten zu erfassen. Erst auf der zweiten Ebene bei Bildung der (einheitlichen) Haftungsquote ist zu berücksichtigen, welche Verletzungen der Geschädigte nicht erlitten hätte, wäre er angeschnallt gewesen.

In Ergebnis hat es dann ein Mitverschulden von 40 % des Klägers angenommen. Trotzdem hat es dem Kläger und vor allen Dingen wegen des zögerlichen Regulierungsverhaltens der Beklagten Versicherung ein Schmerzensgeld von 72.000 € zugesprochen.

Es ist doch ganz erstaunlich, wie sich unterschiedliche Rechtsauffassungen auf die Höhe des Schmerzensgeldes auswirken können. Umso wichtiger ist es, gerade in Fällen von schweren Personenschäden – Schäden – einen Rechtsanwalt für Personenschadens Recht einzuschalten.

Nachzulesen

OLG München, Urteil vom 19. Januar 2022 – 10 U 4672/13