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Versicherungsrecht: BGH: Rückabwicklung eines Rentenversicherungsvertrages nachwirksamen Widerruf

Leitsatz

1.)Zur ordnungsgemäßen Belehrung im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG für den Fall, dass der Versicherungsschutz nicht vor dem Ende der Widerrufsfrist beginnt, gehört neben dem Hinweis auf die Rückgewähr empfangener Leistungen auch der Hinweis auf die herauszugebenden gezogenen Nutzungen.

b2.) Im Rahmen der Rückabwicklung nach § 152 Abs. 2 i.V.m. § 169 VVG ist der Rückkaufswert nach dem ungezillmerten Deckungskapital oh ne Verrechnung der Abschluss- und Vertriebskosten zu bestimmen.

BGH, 11.10.2023 – IV ZR 40/22

Die Beklagte, eine Lebensversicherung, hat gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart Revision eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 31.226,26 € nebst Zinsen verurteilt. Die Revision der Beklagten wurde nun vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht hat entschieden, dass der Kläger den Versicherungsvertrag wirksam widerrufen hat. Die Beklagte hat den Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt. Die Belehrung war unvollständig, da sie den Kläger nicht über die Rückgabe von Nutzungen nach allgemeinen Vorschriften über die Rückabwicklung von Verträgen nach dem bürgerlichen Gesetzbuch informiert hat. Der Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen ergibt sich gerade nicht aus dem Versicherungsvertragsgesetz. Das Berufungsgericht hat auch festgestellt, dass der Kläger sein Widerrufsrecht nicht verwirkt hat und die Ausübung des Widerrufsrechts nicht rechtsmissbräuchlich ist.

Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung bestätigt. Die Beklagte hat den Kläger nicht ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen eines Widerrufs belehrt, da sie ihn nicht über einen möglichen Nutzungsherausgabeanspruch informiert hat. Dies stellt einen nicht unerheblichen Belehrungsfehler dar, der die Ausübung des Widerrufsrechts hindert. Der Anspruch auf Nutzungsherausgabe ist nicht von vornherein auf geringfügige Beträge beschränkt. Daher kann der Kläger den Vertrag wirksam widerrufen. Der Bundesgerichtshof hat auch bestätigt, dass die Ausübung des Widerrufsrechts nicht gegen Treu und Glauben verstößt. Der Ablauf von rund zehn Jahren seit Vertragsschluss und die Beitragsfreistellung der Versicherung stellen keine besonders gravierenden Umstände dar, die die Geltendmachung des Widerrufsrechts verhindern. Der Bundesgerichtshof hat weiterhin entschieden, dass der Rückkaufswert des Versicherungsvertrages nach dem ungezillmerten Deckungskapital ohne Verrechnung der Abschluss- und Vertriebskosten zu bestimmen ist. Der Kläger hat daher Anspruch auf Zahlung des Rückkaufswertes in Höhe von 31.226,26 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit.

BGH, Urt. v. 11.10.2023, Az.: IV ZR 40/22