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BGH: Beim merkantilen Minderwert ist vom Netto-Verkaufspreis auszugehen

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. Juli 2024 (Az.: VI ZR 205/23) legt fest, dass der merkantile Minderwert eines Fahrzeugs auf Grundlage des Nettoverkaufspreises zu schätzen ist. Diese Entscheidung basiert auf den folgenden rechtlichen und praktischen Überlegungen:

1. Der merkantile Minderwert unterliegt nicht der Umsatzsteuer

Der merkantile Minderwert ist eine Entschädigung gemäß § 251 Abs. 1 BGB und damit keine „Leistung gegen Entgelt“. Nach dem Umsatzsteuergesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) fehlt es am Austausch gegenseitiger Leistungen. Daher wird dieser Minderwert steuerneutral behandelt.

2. Basis der Berechnung: Der Nettoverkaufspreis

Die Bemessung des merkantilen Minderwerts orientiert sich an einem hypothetischen Verkauf des Fahrzeugs. Dabei wird geschätzt, wie viel geringer der erzielbare Preis eines instandgesetzten Unfallfahrzeugs im Vergleich zu einem unfallfreien Fahrzeug ist.

Nach dem BGH ist hierbei immer vom Nettoverkaufspreis auszugehen, unabhängig davon, ob der Geschädigte Unternehmer (umsatzsteuerpflichtig) oder Privatperson ist:

  • Unternehmer: Umsatzsteuer, die auf den Verkaufspreis entfällt, ist ein durchlaufender Posten, da sie an das Finanzamt abgeführt wird.
  • Privatpersonen: Beim Verkauf „von privat“ fällt keine Umsatzsteuer an. Daher ist der Nettoverkaufspreis auch hier maßgeblich.

3. Überkompensation verhindern

Wird der merkantile Minderwert auf Grundlage eines Bruttoverkaufspreises berechnet, könnte dies zu einer Überkompensation des Geschädigten führen. Um dies zu vermeiden, muss ein etwaiger „Umsatzsteueranteil“ vom Minderwert abgezogen werden. Der BGH verdeutlicht dies anhand eines Beispiels:

  • Bruttoverkaufspreis vor Unfall: 15.000 €.
  • Bruttoverkaufspreis nach Unfall: 13.000 €.
  • Differenz (Minderwert): 2.000 €.
    • Umsatzsteueranteil: 319,33 €.
    • Tatsächlicher Netto-Minderwert: 1.680,67 €.

Ohne Abzug des Umsatzsteueranteils hätte der Geschädigte 319,33 € mehr zur Verfügung, als ihm rechtlich zusteht.

4. Entscheidung im konkreten Fall

Im vorliegenden Fall hatte der Sachverständige einen merkantilen Minderwert von 500 € als „MwSt-neutral“ ausgewiesen. Das Berufungsgericht ging jedoch davon aus, dass dieser Betrag ein Bruttowert sei, und zog die Umsatzsteuer ab.

Der BGH stellte klar, dass die Formulierung „MwSt-neutral“ missverständlich sein kann. Es blieb unklar, ob der Gutachter den Netto- oder Bruttoverkaufspreis zugrunde gelegt hatte. Daher wurde der Fall zur Klärung zurückverwiesen.

Fazit

Der BGH bekräftigt, dass der merkantile Minderwert stets auf Basis des Nettoverkaufspreises zu berechnen ist, um steuerliche Neutralität und Gerechtigkeit zu gewährleisten. Ein Abzug des Umsatzsteueranteils ist nur dann nötig, wenn der Minderwert fälschlicherweise auf Grundlage des Bruttoverkaufspreises geschätzt wurde.