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Reiserücktrittskostenversicherung: Vorliegen einer „unerwartet schweren Erkrankung“ trotz Vorerkrankun

Das AG München hat entschieden, dass eine Klausel in den Allgemeinen Reisebedingungen, wonach keine Leistungspflicht für bei der Reisebuchung bestehende Krankheiten und deren Folgen besteht, den Versicherten unangemessen benachteiligt und unwirksam ist.

Der 77-jährige Kläger besitzt eine Kreditkarte, über die er reisereisrücktrittversichert ist. Gemäß Ziff. 3.4.2.a der Versicherungsbedingungen sind u.a. versicherte Reiserücktrittsgründe Tod, schwerer Unfall oder unerwartet schwere Erkrankung der versicherten Person. Gemäß Ziff. 3.5.3 der Versicherungsbedingungen besteht keine Leistungspflicht für bei Reisebuchung bestehende Krankheiten und deren Folgen.
Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau am 23.11.2014 eine Reise in der Zeit vom 09.02. bis 23.02.2015 nach Teneriffa zum Preis von 2.196 Euro. Seit 2006 leidet der Kläger an einer nicht akuten kompensierten Niereninsuffizienz. Diese war jahrelang unauffällig und ohne Beschwerdeerscheinungen, so dass der Kläger zahlreiche Reisen ohne Probleme durchführen konnte. Im Dezember 2014 litt er an einer Angina und musste sich im Krankenhaus behandeln lassen. Am 02.01.2015 musste er behandelt werden wegen Bluthochdrucks. Dabei wurde festgestellt, dass der Kreatininwert gestiegen war, und es wurde ihm abgeraten, die gebuchte Reise anzutreten. Aufgrund dessen stornierte er die Reise. Vorm Reiseunternehmen wurde eine Stornogebühr in Höhe von 923 Euro erhoben. Als der Kläger diese Kosten bei seiner Reiserücktrittsversicherung geltend machte, verweigerte diese die Leistung. Sie vertritt die Ansicht, dass das Risiko der Vorerkrankung in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen sei und nur neue auftretende Erkrankungen Versicherungsschutz genießen. Der Kläger erhob Klage zum AG München.

Das AG München hat der Klage stattgegeben und das Kreditkartenunternehmen aufgrund der Reiserücktrittversicherung zur Zahlung der Stornokosten abzüglich eines Selbstbehalts in Höhe von 100 Euro, wie in den allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgeschrieben, verurteilt, also zur Zahlung von 823 Euro.

Nach Auffassung des Amtsgerichts ist die Bestimmung Ziff. 3.5.3. der Versicherungsbedingungen unwirksam, da die Regelung die Versicherten unangemessen benachteiligt. Danach bestehe keine Leistungspflicht für bei der Reisebuchung bestehende Krankheiten und deren Folgen. Die Klausel differenziere zum einen nicht zwischen der versicherten Person bekannten und unbekannten Vorerkrankungen, so dass (…) auch der versicherten Person unbekannte Vorerkrankungen bei Reisebuchung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien. Zum anderen würde Ziffer 3.4.2. der Versicherungsbedingungen, wonach Versicherungsschutz bei Auftreten einer unerwartet schweren Erkrankung bestehe, unterlaufen. Mit der Beschränkung auf unerwartete Erkrankungen würden zum Teil Vorerkrankungen des Versicherten ausgeschlossen.

„Unerwartet“ im Sinne der Vorschrift bedeute nicht, dass die Erkrankung nach Reisebuchung und Versicherungsabschluss völlig neu entstehen müsse. Der Verlauf der chronischen Niereninsuffizienz beim Kläger war jahrelang stabil. Bei der Verschlechterung Anfang des Jahres 2015 handele es sich nicht um eine zwingende Zustandsverschlechterung, sondern sie sei durch ein zufälliges Akutereignis ausgelöst worden und stelle damit eine unerwartete Erkrankung im Sinn der Versicherungsbedingungen dar.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gericht/Institution: AG München
Erscheinungsdatum: 31.03.2017
Entscheidungsdatum: 30.08.2016
Aktenzeichen: 159 C 5087/16

Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 31.03.2017

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