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Verkehrsrecht: BGH Neuwagenkäufer dürfen selbst bei kleinste Lackschäden die Abnahme verweigern und das Geld zurückhalten

Der BGH hat entschieden, dass Käufer eines Neuwagens selbst bei einem sehr kleinen Mangel wie einem Lackschaden die Annahme und Bezahlung verweigern dürfen.

Der Beklagte bestellte im Jahr 2013 bei der Klägerin ein Neufahrzeug der Marke Fiat. Die Parteien vereinbarten kostenfreie Auslieferung des Fahrzeugs am Wohnsitz des Käufers. Bei der Auslieferung durch eine von der Klägerin beauftragte Spedition wies das Fahrzeug einen Lackschaden an der Fahrertür auf. Im Lieferschein der Spedition ist insoweit vermerkt: „Kleine Delle Fahrertür, Kosten für Ausbesserung werden von… [der Klägerin]… übernommen.“ Noch am gleichen Tag erklärte der Beklagte, dass er das Fahrzeug „zurückweise“ und den Kaufpreis nicht freigebe. Die Klägerin machte geltend, es handele sich um einen „Bagatellschaden“ und verlangte Überweisung des vollständigen Kaufpreises. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin den Kostenvoranschlag eines Autolackierbetriebes, wonach Lackierkosten i.H.v. 528,30 Euro entstünden. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde bei Vorlage des Originals der Reparaturrechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht maximal 300 Euro übernehmen. Da die Parteien sich nicht einigten, holte die Klägerin das Fahrzeug im August 2013 beim Beklagten ab, ließ den Lackschaden beheben und lieferte das Fahrzeug im Oktober 2013 wieder an den Beklagten aus, der daraufhin den gesamten Kaufpreis zahlte. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Ersatz von Transportkosten für die Rückholung und Wiederauslieferung des Fahrzeuges, ferner „Standgeld“ sowie Verzugszinsen auf den Kaufpreis, insgesamt 1.138,64 Euro.

Die Klage war in allen Instanzen ohne Erfolg geblieben.

Der BGH hat entschieden, dass der Käufer auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln – wie dem hier vorliegenden Lackschaden – grundsätzlich weder den Kaufpreis zahlen noch das Fahrzeug abnehmen muss, bevor der Mangel beseitigt ist.

Nach Auffassung des BGH hat nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Hieraus folge das Recht des Käufers, vom Verkäufer die Beseitigung von Mängeln der Sache zu verlangen und bis dahin die Zahlung des (gesamten) Kaufpreises nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB und die Abnahme des Fahrzeugs nach § 273 Abs. 1 BGB zu verweigern. Diese Rechte stünden dem Käufer bei einem behebbaren Mangel auch dann zu, wenn er – wie der hier vorliegende Lackschaden – geringfügig sei. Zwar könnten der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts bei besonderen Umständen des Einzelfalls (ausnahmsweise) mit Rücksicht auf Treu und Glauben Schranken gesetzt sein. Derartige besondere Umstände hätten hier indes nicht vorgelegen. Im Gegenteil habe die Klägerin dem Beklagten zunächst nicht einmal angeboten, selbst für eine ordnungsgemäße Behebung des Lackschadens zu sorgen und so ihrer Erfüllungspflicht als Verkäuferin nachzukommen. Sie habe sich nämlich lediglich zu einer Übernahme der Reparaturkosten bereit erklärt. Es obliege jedoch nicht dem beklagten Käufer, einen Reparaturauftrag zu erteilen, sondern die Klägerin habe die Reparatur im Rahmen der Erfüllung ihrer Verkäuferpflichten in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko zu veranlassen. Zudem habe die Klägerin selbst an der (unzureichenden) Bereitschaft zur Übernahme der Kosten nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern eine Obergrenze von 300 Euro gesetzt, so dass den Beklagten das Risiko der Werkstattkosten, einschließlich eines etwaigen unwirtschaftlichen oder unsachgemäßen Arbeitens des Werkstattbetriebes, getroffen hätte. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen (Transportkosten, „Standgeld“) handele es sich um Kosten, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages erforderlich gewesen seien und die deshalb ohnehin von ihr als Verkäuferin zu tragen waren.

Erscheinungsdatum: 26.10.2016
Entscheidungsdatum: 26.10.2016
Aktenzeichen: VIII ZR 211/15
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