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Versicherungsrecht: AG Celle vermasselt DEURAG miese Tour

DEURAG, eine von Rechtsanwalt Bernhard von Boehn nicht empfohlene Rechtsschutzversicherung, hat einen Prozeß trotz tapfer kämpfender Rechtsanwaltskanzlei Stoppe verloren. Die DEURAG hatte Rechtsanwalt von Boehn vorgeworfen, er habe Fehler gemacht und deshalb das restliche Honorar nicht gezahlt. Nichts dran, urteilte das Amtsgericht Celle und gab der Klage gegen die DEURAG bzw. ihren Dienstleister statt:

Im Namen des Volkes

 

Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Bernhard von Boehn, Marktstr. 13, 31303 Burgdorf Geschäftszeichen: 27268 C / 27268

gegen

1. DEURAG Deutsche Rechtsschutz-Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand der AG, k, Abraham-Lincoln-Str. 3, 65189 Wiesbaden,

2. RSS Rechtsschutz-Service GmbH vertr. d. d. GF, Abraham-Lincoln-Str. 3, 65189 Wiesbaden

Beklagte

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Dr. Stobbe und Partner, Hohenzollernstr. 43, 30161 Hannover, Gerichtsfach 325, Geschäftszeichen: 789/16L15

hat das Amtsgericht Celle im schriftlichen Verfahren gern. § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 31.01.2017 durch die Richterin am Amtsgericht Flüshöh für Recht erkannt:

Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, den Kläger von den Kostenfestsetzungsbeschlüssen über 816,85 €des Landgerichts Hannover- 8 0 117/12 – sowie über 1212,04 €des Landgerichts Lüneburg – 4 0 179/11 – ggü. Rechtsanwalt von Boehn freizustellen.

  1. Tatbestand

Der Kläger unterhielt in der Zeit vom 01.04.2004 bis 31.03.2012 eine Rechtschutzversiche- rung bei der Beklagten zu 1 mit einer Selbstbeteiligung pro Rechtschutzfall i.H.v. jeweils 250,00 €.
Der Kläger meldete seiner Rechtschutzversicherung die Auseinandersetzungen vor dem Landgericht Hannover zum Aktenzeichen 8 0 117/12 und vor dem Landgericht Lüneburg zu Aktenzeichen 4 0 179/11 und die Beklagte zu 1 gewährte dem Kläger jeweils bedingungsgemäßen Versicherungsschutz nach Maßgabe der dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden Versicherungsbedingungen und stellte ihn insoweit von sämtlichen Forderungen frei. Nach Abschluss der Verfahren meldete der Kläger der Beklagten zu 1 den Verfahrensaus- gang und erhielt daraufhin ein Schreiben der Beklagten zu 2 vom 18.02.2015 wie folgt:

„Sie werden in obiger Sache in Kürze vom Gericht einen gegen Sie gerichteten Kostenfestsetzungsantrag Ihres Rechtsanwaltes von Boehn erhalten. Wir bitten im Hinblick auf die lau- fende Stellungnahmefrist um unverzügliche Information. Zur Vermeidung eines gegen Sie drohenden Titels und zur Schadensminderung können Sie gegenüber dem Gericht mitteilen, dass die Forderung des Anwalts im Hinblick auf bestehende materiell- rechtliche Einwendun- gen, wie insbesondere Schlechterfüllung des Mandats, nicht berechtigt ist. Insofern stellen wir Ihnen auch die Hilfe eines Anwalts Ihrer Wahl, auch schon für die Abwehr der Forderung des Rechtsanwalts von Boehn und die Stellungnahme zu diesem Kostenantrag zur Verfügung.“

Mit Schreiben vom 26.02.2015 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Rechtschutzversicherung im Namen des Klägers mit, dass er nicht beabsichtige, Einwendungen zu erheben und tat das in der Folge auch nicht, so dass die entsprechenden Kostenfestset- zungsbeschlüsse über 816,85 €des Landgerichts Hannover- 8 0 117/12 – sowie über 1212,04 €des Landgerichts Lüneburg – 4 0 179/11 -nach § 11 RVG erlassen wurden.

Trotz Übersendung des rechtskräftigen Titels und anwaltlicher Mahnung erfolgte kein Forderungsausgleich durch die Beklagte. Für die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit sind dem Kläger Kosten in Höhe von 334,75 € entstanden.

Die ursprünglich gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage hat der Kläger durch gewillkürten Parteiwechsel mit Schriftsatz vom 10.02.2016 konkludent zurückgenommen.

Der Kläger beantragt nunmehr,
1. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, den Kläger von den Kostenfestsetzungsbeschlüssen

über 816,85 € d e s Landgerichts Hannover – 8 0 117/12 – sowie über 1212,04 € d e s Landgerichts Lüneburg – 4 0 179/11 – ggü. Rechtsanwalt von Boehn freizustellen.

2. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, den Kläger von den Gebühren des Rechtsanwalts von Boehn in Höhe von 334,75 €freizustellen.

Die Beklagte zu 2 beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2 ist der Ansicht, den Freistellungsanspruch des Klägers durch Deckungszu- sage in dem Schreiben vom 18.02.2015 erfüllt zu haben und beruft sich hierfür u.a. auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.10.2015 zu Aktenzeichen IV ZR 266/14. Dar- über hinaus habe der Kläger seine Obliegenheit verletzt, indem er entgegen dem genannten Schreiben keine Einwendungen gegen die Kostenfestsetzungsanträge seines Anwaltes erhob und sich diesbezüglich keiner weiteren anwaltlichen Hilfe bediente, so dass sie von der Leis- tung befreit sei. Schließlich hegt sie Zweifel an der Wirksamkeit des Anwaltsvertrages betref- fend die Vertretung in diesem Rechtsstreit.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und hinsichtlich Ziffer 1 begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Freistellung von den Forderungen des Prozessbevollmächtigten aus dem Rechtschutzvertrag i.H.v. 816,85 €und 1212,04 €.

Das Gericht hegt keine Bedenken hinsichtlich des wirksamen Mandatsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Klägervertreter und damit der wirksamen Vertretung in diesem Rechts- streit. Denn der Klägervertreter hat gerade nicht eine andere Partei in demselben Rechtsstreit vertreten, sondern den Kläger selbst. Dass er selbst Interesse an dem Ausgang dieses Ver- fahrens hat, begründet keine Nichtigkeit nach § 134 BGB, sondern hier ganz im Gegenteil. Zwar könnte er grundsätzlich gegen den Kläger direkt aus den Kostenfestsetzungsbeschlüs- sen vollstrecken. Dieser Rechtsstreit dient jedoch gerade dazu, dies zu verhindern, indem ein Titel gegen die Beklagte erwirkt wird und damit dem Grunde nach dem Schutz des Klägers. Ein gesetzlicher Verstoß oder sonstige Gründe nach § 138 BGB o.ä. sind daher nicht ersicht- lich.

Der Kläger unterhielt in der Zeit vom 01.04.2004 bis 31.03.2012 eine Rechtschutzversiche- rung bei der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 1 hat unstreitig eine Deckungszusage hinsicht- lich der beiden Verfahren des Landgerichts Hannover – 8 0 117/12 – sowie des Landgerichts Lüneburg – 4 0 179/11 – erteilt und den Kläger von deren Kosten freigestellt. Nach Abschluss der Verfahrens sind gegen den Kläger Kostenfestsetzungsbeschlüsse hinsichtlich der anwalt- lichen Kosten i.H.v. 816,85 €des Landgerichts Hannover sowie über 1212,04 €des Landge- richts Lüneburg ergangen, die die Beklagte zu 2 als Schadensabwicklungsunternehmen der Beklagten zu 1 nach§ 126 Abs. 2 W G i.V.m. dem Versicherungsvertrag grundsätzlich zu tragen und damit den Kläger freizustellen hat.

Zwar ist der Beklagten zu 2 Recht zu geben, dass nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.10.2015 zu Aktenzeichen IV ZR 266/14, deren Ansichten das Gericht aus- drücklich teilt, der Versicherer berechtigt ist, den Freistellungsantrag des Versicherungsneh- mers hinsichtlich der von ihm zu tragenden Vergütung des Rechtsanwaltes grundsätzlich auch dadurch zu erfüllen, dass er dem Versicherungsnehmer Kostenschutz für einen etwaigen Ge- bührenprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Prozessbevollmächtigten zusagt. Dies hat die Beklagte zu 1 indes auch mit ihrem Schreiben vom 18.02.2015 gar nicht getan. Nach dem Wortlaut des Schreibens hat die Beklagte zu 1 Deckungszusage nur teilwei- se erteilt, nämlich nach dem Wortlaut lediglich für die außergerichtliche Erwehrung der An- sprüche bzw. lediglich für die ggf. auch bei einem Gerichtsstreit zu erwartenden Anwaltskosten, indem sie formuliert: Insofern stellen wir Ihnen auch die Hilfe eines Anwalts Ihrer Wahl, auch schon für die Abwehr der Forderung des Rechtsanwalts von Boehn und die Stellung- nahme zu diesem Kostenantrag zur Verfügung.“ Es wird gerade nicht deutlich, dass eine um- fassende Deckungszusage auch für einen etwaigen Gebührenprozess, der auch Gerichtskos- ten und ggf. Kosten der Beweisaufnahme umfassen müsste, gewährt wird. Nach dem objekti- ven Empfängerhorizont kann der Versicherungsnehmer nach dem Wortlaut dieses Schreibens nicht damit rechnen, im Falle der Erhebung von Einwendungen gegen den Kostenfestset- zungsantrag vor weiteren Kosten im Falle des Unterliegens durch die Freistellung der Beklag- ten zu 1 gefeit zu sein. Erfüllungswirkung ist damit nicht eingetreten.

Auch eine Obliegenheitspflichtverletzung ist nicht zu erkennen. Eine solche besteht nur dann, wenn der Versicherungsnehmer gegen die ihm nach § 82 Abs. 1 W G obliegende Verpflich- tung zu Schadensminderung verstößt oder er nach Abs. 2 einer zumutbaren Weisung zuwider handelt. Beides ist hier nicht ersichtlich. Aus dem Schreiben vom 18.02.2015 ist bereits nicht zu entnehmen, dass realistisch die Erwartung der Beklagten zu 1 bestanden hat, dass tat- sächliche materiell- rechtliche Einwendungen gegen den Kostenfestsetzungsantrag begründet wären, denn diese werden nicht im Ansatz genannt. Der allgemeine Hinweis auf mögliche Einwendungen reicht nicht und wird auch nicht begründet bzw. ausgeführt, so dass der nicht rechtkundige Versicherungsnehmer, hier der Kläger, diesen Hinweis eher als allgemeinen Hinweis i.S. eines Textbausteines oder als allgemeinen Hinweis auf seine grundsätzlichen Möglichkeiten verstehen muss. Soweit die Beklagte hier auf Versäumnisse des Klägervertre- ters wegen vermeintlich unsubstantiierten Vortrags oder die Geltendmachung von verjährten Ansprüchen hinweist, ist dem zu entgegnen, dass die Frage der Substantiierung ein grund- sätzliches Problem des Zivilprozesses ist, für das das Gericht mit entsprechenden Hinweis- pflichten belastet ist. In Ansehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind grund- sätzlich keine zu hohen Erwartungen an die Substantiierung zu stellen, so dass sehr fraglich wäre, wieweit der Kläger mit diesen – im Übrigen auch hier unsubstantiierten Behauptungen der Beklagten zu 2 – insoweit durchgedrungen wäre. Auch der Verweis auf die Geltendma- chung von verjährten Forderungen trägt nicht, da die Verjährung ggf. in einem Rechtsstreit erst einredeweise geltend gemacht werden muss. Dieses grundsätzlich und wie hier aufgrund eines so formularmäßigen Schreibens ohne konkreten Sachbezug oder Ausführungen einzu- schätzen, vermag ein rechtsunkundiger Versicherungsnehmer ohnehin nicht, so dass ihm weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

Das Schreiben beinhaltet auch keine Weisung, Einwendungen zu erheben, sondern nach dem Wortlaut und Zusammenhang wird dem Kläger hier lediglich die Möglichkeit aufgezeigt {„können Sie“) und damit ein Wahlrecht eingeräumt, ob er diese zu erheben gedenkt, oder nicht. Hier hätte sich die Beklagte zu 1 insgesamt deutlicher fassen müssen, um mit diesem Schreiben Rechtswirkungen zu entfalten.

Eine Befreiung von der Leistungspflicht ist damit unter keinem genannten Gesichtspunkt zu erkennen.

Hinsichtlich der Geltendmachung der weiteren außergerichtlichen Kosten ist anzumerken, dass die Beklagte im Moment des Betreibens des Geschäfts durch den Klägervertreter schon nach seinem eigenen Vortrag noch nicht wirksam in Verzug gesetzt wurde, da er bereits vor- her, nämlich noch vor der Zahlungsaufforderung und Mahnung tätig wurde. Verzugsbegrün- dende Tätigkeiten sind jedoch als Verzugsschaden nicht erstattungsfähig, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die grundsätzlich nicht streitwerterhöhenden Nebenforderungen mehr als 1O% der Gesamtforde- rung ausmachen und damit im Rahmen eines fiktiven Streitwertes zu berücksichtigen waren.

Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 709 S. 2, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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