Rechtliche Grenzen der Anfechtung bei Antragstellung
Im Versicherungsrecht ist die Rückdatierung eines Versicherungsantrags ein häufiger Streitpunkt, insbesondere wenn ein Schadensfall in die rückwirkend beantragte Deckung fällt. In einem aktuellen Fall behauptet eine Versicherung, der Antrag sei rückdatiert und dies stelle eine arglistige Täuschung dar. Sie hat negative Feststellungsklage gegen den Versicherungsnehmer erhoben mit dem Ziel, sich der Haftung gegenüber dem Geschädigten zu entziehen. Rechtsanwalt Bernhard von Boehn erklärt, warum diese Argumentation rechtlich nicht haltbar ist und die Klage unschlüssig bleibt.
Der Fall: Rückwirkende Versicherungsdeckung und Täuschungsvorwurf
Ein Versicherungsnehmer stellte im November 2022 einen Antrag auf eine Betriebshaftpflichtversicherung mit rückwirkendem Beginn ab dem 1. August 2022. Kurz darauf ereignete sich ein Schadensfall, bei dem eine Person schwer verletzt wurde. Die Versicherung akzeptierte zunächst den Antrag und leistete Zahlungen an die Geschädigte. Monate später erklärte sie jedoch die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen angeblicher arglistiger Täuschung. Der Vorwurf: Der Antrag sei rückdatiert worden, um den Schadensfall nachträglich abzudecken.
Die rechtlichen Grundlagen: §§ 2 und 5 VVG
Nach den Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) liegt es im Rahmen des Antragsmechanismus beim Versicherungsnehmer, den gewünschten Versicherungsbeginn festzulegen. Der Versicherer hat dabei lediglich zwei Optionen:
- Den Antrag uneingeschränkt anzunehmen.
- Den Antrag mit Änderungen anzunehmen oder abzulehnen.
§ 5 VVG erlaubt es ausdrücklich, eine Rückdatierung zu beantragen, sofern der Versicherer diese akzeptiert. Ein rückwirkender Versicherungsbeginn setzt voraus, dass beide Parteien eine entsprechende Vereinbarung treffen.
Warum das Antragsdatum unerheblich ist
Innerhalb dieses Antragsmechanismus spielt das tatsächliche Datum der Antragstellung keine entscheidende Rolle. Der Versicherungsnehmer hat das Recht, den Versicherungsbeginn frei zu bestimmen. Der Versicherer prüft den Antrag auf Grundlage der angegebenen Daten und kann entscheiden, ob er diesen akzeptiert oder nicht.
Selbst eine fehlerhafte Angabe des Antragsdatums hat keinen Einfluss auf die rechtliche Bindung des Versicherers, da der Versicherungsbeginn nicht vom Datum des Antrags, sondern von der im Antrag angegebenen Vertragsgestaltung abhängt.
Arglistige Täuschung nicht denkbar
Eine arglistige Täuschung über das Antragsdatum ist in diesem Kontext nicht denkbar. Da die Versicherung den Antrag entweder uneingeschränkt oder mit Änderungen annehmen muss, ist eine Täuschung über das Datum weder entscheidungserheblich noch geeignet, den Versicherer zu einer anderen Entscheidung zu bewegen. Die Versicherung wusste bei Annahme des Antrags, dass der Antrag im November eingegangen war. Das Rückdatierungsdatum war für die Vertragsannahme irrelevant.
Bindung durch die Annahme des Antrags
Mit der Annahme des Antrags und der Policierung hat sich die Versicherung zur Deckung verpflichtet. Zahlungen an die Geschädigte unterstreichen dieses Anerkenntnis. Der Versicherer kann den Vertrag daher nicht nachträglich anfechten, da er die Bedingungen des Vertragsabschlusses im Rahmen der §§ 2 und 5 VVG akzeptiert hat.
Warum die Klage unschlüssig ist
Die Klage der Versicherung ist unschlüssig, da sie sich auf eine vermeintliche Täuschung stützt, die rechtlich irrelevant ist. Der Versicherungsnehmer hat den Antrag korrekt gestellt, den Versicherungsbeginn bestimmt und die Versicherung hat diesen angenommen. Es gibt keinen Anhaltspunkt für eine Täuschung, da der Mechanismus des Versicherungsrechts keinen Spielraum für eine solche Interpretation lässt.
Fazit
Dieser Fall verdeutlicht die Bedeutung der rechtlichen Grundlagen bei der Rückdatierung von Versicherungsanträgen. Die Versicherung hat keine Grundlage, den Vertrag anzufechten, da sie bei der Annahme des Antrags alle relevanten Informationen kannte. Rechtsanwalt Bernhard von Boehn vertritt die Geschädigte und setzt sich dafür ein, dass die Versicherung ihrer Verpflichtung nachkommt. Wenn Sie ähnliche Probleme mit einer Versicherung haben, kontaktieren Sie uns für eine fundierte rechtliche Beratung.